Kultur: Vergebliche Suche nach der Sonne Gesprächsversuch über „Der geteilte Himmel“
Matthias Platzeck machte den Anfang. In seiner Rolle als Bundesratspräsident sprach er beim offiziellen Festakt zum Tag der Deutschen Einheit davon, dass ein im Tiefflug aufgenommener Film von Todesstreifen und Berliner Mauer eine treffliche Sicht auf die deutsche Teilung gebe.
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Matthias Platzeck machte den Anfang. In seiner Rolle als Bundesratspräsident sprach er beim offiziellen Festakt zum Tag der Deutschen Einheit davon, dass ein im Tiefflug aufgenommener Film von Todesstreifen und Berliner Mauer eine treffliche Sicht auf die deutsche Teilung gebe. Zum ersten Mal sei die Mauer, so Brandenburgs Ministerpräsident, kurz nach der Grenzöffnung von Osten aus gefilmt und so ein einmaliges historisches Dokument geschaffen worden. Am Abend, zu der Zeit als dann endgültig das letzte Bier unters Volk gebracht war, berichtete Daniela Dahn im Filmmuseum, dass ihr ein russischer Schriftstellerkollege erzählt habe, er erkenne vom Flugzeug aus noch heute genau, wann er sich über dem Osten und wann über dem Westen Deutschlands befinde. Da wurde deutlich: Wer heute die Folgen der deutschen Teilung betrachtet, schaut nach unten. Der Blick in den „geteilten Himmel“ dahingegen, mit dem Christa Wolf ebenso wie kurz darauf Konrad Wolf die deutsche Teilung und die persönliche Zerrissenheit darzustellen versuchten, scheint heute keine Anhänger mehr zu finden. Wolfs Film von 1964 sollte als Ausgangspunkt für die Podiumsdiskussion: „Geteilter Himmel?“ im Filmmuseum dienen. Der Berliner Filmwissenschaftler Ulrich Gregor fand Wolfs Film „zweifellos interessant“. Er konterkarierte diese Aussage jedoch durch beständiges Blättern im Programmheft und indem er die im Film aufgezeigte Alternative durch den Wegfall des real existierenden Sozialismus als rein historisches Gedankenspiel abtat. Barton Byk, Direktor der DEFA-Film-Library der Universität Massachusetts, betonte hingegen mehrfach, den Film auch bei der erneuten Sichtung nicht verstanden zu haben - eine Aussage, die er mit seiner Vermutung, Ritas Rückkehr in den Osten habe etwas mit besseren Chancen für Frauen auf dem DDR-Arbeitsmarkt zu tun, auch exemplarisch belegen konnte. Daniela Dahn, Publizistin und ehemalige Bürgerrechtlerin erinnerte sich daran, wie sie als 15-Jährige zu Christa und Gerhard Wolf nach Hause eingeladen wurde und dort Kekse und Literaturunterricht offeriert bekam. Rührend, aber nur bedingt aktuell. Ebenso wie Ulrich Gregors Erfahrungen, als er den Film in Westdeutschland auf die Leinwand brachte und Konrad Wolf ihm dabei höchstpersönlich zur Seite stand. Christiane Mückenbergers verzweifeltes Bemühen als Diskussionsleiterin, das abseits politischer Gegebenheiten gelagerte subversive und kreative Gedankengut von Wolfs Film ins Spiel zu bringen, wurde letztlich nur von Daniela Dahn aufgegriffen, die zwar ähnlich wie Gregor („ein bisschen aus der Mottenkiste“), die Darstellung der sozialistisch glücklichen Arbeitswelt etwas zu schematisch gestaltet und „ein wenig lebensfremd“ fand, aber dem Film dennoch zugestand, dass er nach Alternativen frage. Auch wenn sie hier vor allem die Christa Wolf''sche Frage: „Wofür lebt man eigentlich?“ vermittelt sieht und dem Film somit lediglich die Rolle als geglückte Adaption zuerkennt. Schließlich stand die Frage nicht nur unbeantwortet, sondern nahezu unbehandelt im Raum: „Geteilter Himmel?“ Ein am 15. Jahrestag der Einheit eigentlich brisantes Thema: Leben die Deutschen in einer Zeit, in der selbst der eigentlich als integrative Figur gedachte Bundespräsident fordert, endlich die unterschiedlichen Lebensbedingungen zu akzeptieren, unter einem geteilten Himmel, nur eben in einem geeinten Land? Oder teilen sie sich inzwischen tatsächlich wieder ein und denselben Himmel? Nur wer nach oben schaut und dabei die Menschen im Blick behält, kann das erkennen. Das Publikum hatte zu einem guten Teil bald genug von der Diskussion und ging. Abstimmung mit den Füßen nennt man das. Moritz Reininghaus
Moritz Reininghaus
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