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Kultur: Vergessene Traditionen

Jüdische Gesänge aus Spanien, Israel und dem Orient

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Jüdische Gesänge aus Spanien, Israel und dem Orient Hinter dem Titel „Vergessene Traditionen“ verbirgt sich eine der merkwürdigsten Geschichten eines Volkes, das in 3000 Jahren voller Wechsel der Lebensräume und unzähligen Einflüssen unterschiedlicher Kulturen, seine gemeinsamen Nenner nicht verloren hat. Nach dem Auszug aus Ägypten, der Babylonischen Gefangenschaft, der Rückkehr, der Vertreibung und Zerstreuung über das gesamte Römische Reich, teilt sich das jüdische Volk über jenem Gebiet der Erdkugel, das Jahrhunderte später zwischen Islam und Christentum- mit wechselnden Fronten geteilt wird. Der bedauerliche Konfliktzustand der letzten hundert Jahre im Nahen Osten lässt leider vergessen, dass die Juden im Laufe der Jahrhunderte in der arabischen und islamischen Welt oft einen sehr fruchtbaren geistigen und geistlichen Austausch ausübten. So sind in vielen Ländern hochinteressante Mischkulturen entstanden, die den lokalen Einfluss mit den eminenten Elementen des jüdischen Lebensrhythmus kombinieren. Eine der wichtigsten Orte eines solchen Austausches ist die Iberische Halbinsel während der maurischen Herrschaft geworden. Über mehrere Jahrhunderte entwickelt sich jüdisches Leben in Spanien und erreicht ab etwa 1000 n.Chr. einen Höhepunkt, und produziert mit Dichtern wie Jehuda Ha''Levi und geistlichen Autoritäten wie dem Maimonides (Rabbi Moshe Ben Maimon) Werke, die im jüdischen Kanon einen zentralen Platz beanspruchen. Es ist vielleicht ironisch, dass mit der erneuten Vertreibung 1492 aus Sefarad (Spanien), nach der christlichen Rückeroberung des Landes und durch die Inquisition betrieben, nicht die arabische Sprache, sondern der jüdisch-lateinische Dialekt Ladino mit in die ganze europäische und nordafrikanische Diaspora genommen wird. Das orientalische Kolorit bleibt aber in der musikalischen Sprache und Tradition bestehen, eine Mischung aus altem jüdischen liturgischen Gesang und dem Einfluss der arabischen Musik. So entsteht ein besonderer Stil, der diese Latino und Orient Elemente zu einem ausgesprochen mediterranen Stil fusioniert. Die nächste Fusion geschieht durch mitteleuropäisch geprägte Komponisten wie Paul Ben-Haim und Yehezkel Braun, die Jahrhunderte später diesen musikalischen Schatz als Grundlage für mehrstimmige Vokalkompositionen verwenden. Das Ergebnis – die Chorstücke (im Orient gibt es keinen mehrstimmigen Chorgesang!) – zeigt auf eine spannende Weise die Kombination des horizontalen, melodischen Denkens des Orients mit dem vertikalen, harmonischen Denken Europas. Neben weiterem Material aus Jemen, Tunesien, Persien und der Türkei wird mit dem Komponisten Piris Eliyahu, der in diesem Konzert auch mit seinem Trio als Tar-Spieler auftritt, eine weitere spannende (vergessene) Tradition präsentiert: die der „Bergjuden" aus Dagestan (Kaukasus). Diese Gemeinden, die zu den ältesten jüdischen Gemeinden gehören, bringen einen asyrisch-persischen Einfluss mit türkischen und urjüdischen Elemente zusammen. Die daraus resultierende Sprache Djuhur-Tätisch und Musik ist einzigartig. Mit fünf Hochzeitsliedern für Frauenchor versuchen die Frauen des Neuen Kammerchores Potsdam dabei ihre kaukasische Seele und Kehle zu öffnen. Ud Joffe

Ud Joffe

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