Kultur: Vergessenen „Schmachtfetzen“ wieder zum Klingen gebracht
Feiertagskonzert im Nikolaisaal: „Die blaue Mazur“ von Franz Lehár musikalisch auf hohem Niveau
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Mit ungarischem oder polnischem Klangmilieu warteten die Operettenkomponisten des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts immer wieder gern auf. Dabei kombinierten sie erfundene Folklore gekonnt mit dem Walzer oder auch damals aktuellen Tanzrhythmen. Johann Strauß beispielsweise lässt seinen Zigeunerbaron in Ungarn spielen, ebenso Emmerich Kalman die Gräfin Mariza, Carl Millöcker siedelt seinem Bettelstudenten im polnischen Krakau an. Vor allem mit den zündenden und süß einschmeichelnden Melodien konnten die Komponisten Welterfolge einfahren. Teilweise bis heute. Auch Franz Lehár gehört unbedingt dazu. Seine „Lustige Witwe“ gehört zweifellos zu seinen berühmtesten Operetten. „Die blaue Mazur“ dagegen weniger. 1920 uraufgeführt, wurde sie im laufe der Zeit vergessen. Jetzt hat sie das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt an der Oder der Vergessenheit entrissen und sie für eine CD-Aufnahme beim Label cpo mit Solisten und dem Kammerchor der Singakademie Frankfurt/Oder (Einstudierung: Rudolf Tiersch) produziert.
Pfingstsonntag konnte man die Operette konzertant im Nikolaisaal in der Feiertagskonzerte-Reihe erleben. Es ist nur allzu verständlich, dass man dem hanebüchenen und quälenden Inhalt über das Liebesleben der Wiener Gräfin Blanka von Lossin und einem polnischen Lebemann, Julian Graf Olinski, kaum Wert zumisst. Auch die aktuelle Dialogfassung von Burkhard Schmilgun hat dem Ganzen nicht viel aufgeholfen. Humorvoll-ironisches Augenzwinkern war kaum zu erleben. Dafür eine Musik, die melancholisch und auch schmissig klingt, vor allem die Mazur, mit der Lehár polnisches Klangmilieu einbringt. Doch vergebens sucht man einen Ohrwurm, der den Zuhörer noch nach dem Konzert begleitet.
Dirigent Frank Beermann, ab neuer Saison Chefdirigent am Chemnitzer Opernhaus, und das Staatsorchester machen den „Schmachtfetzen“ größtenteils zum Hörvergnügen. Man musizierte unbeschwert und schwelgerisch, vielleicht hin und wieder zu sehr auftrumpfend, so dass des Buffotenors Stimme, Jan Kobow, in den Orchesterfluten meist untergeht. Erstmals war die Potsdamer Sopranistin Johanna Stojkovic hier in einer Operettenpartie zu hören. Ihre Stimme hat mehr Furor bekommen und ist runder geworden. Mit dem feinen Schmelz in Lehárs Melodien kann sie wunderbar spielen, so dass sie nicht allzu schmalzig daherkommen. Auch der schwedische Tenor Johan Weigel vermag auf diesem Niveau in Augenhöhe mitzuhalten. Von den anderen Mitwirkenden bleiben Julia Bauers quicklebendige Gestaltung ihrer Soubrettenpartie und Hans Christoph Begemann bester Erinnerung. Von der überaus warm klingenden Stimme des Bariton hätte man musikalisch gern mehr gehört. Aber die Partitur Lehárs sieht da nicht mehr vor.
Der Beifall des Nikolaisaal-Publikums für diese Operetten–Begegnung war sehr herzlich, am meisten jedoch für das hohe Niveau der Aufführung.Klaus Büstrin
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