Komödie im Potsdamer Thalia-Kino: Vergnügliches Scheitern
Julian Tyrasas satirische Gaunerkomödie „HARTs 5 – Geld ist nicht alles“ im Thalia-Kino.
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Sie hatten einmal Großes vor, die Männer, die ihrem Freund Hart in dessen Bar ein wenig lethargisch gegenübersitzen. Sie wollten Tänzer, Literaturprofessor, gefeierter Schauspieler werden. Doch jetzt, mit Anfang 40, haben Hart, Kurt, Frank und Josef, die Helden in Julian Tyrasas Spielfilmdebüt „HARTs 5 – Geld ist nicht alles“, längst alles ad acta gelegt. Die Männer schlagen sich mit kleinen Jobs durch und mit Hartz IV: Das Leben hat sie in Umstände geführt, die heute gern als prekär bezeichnet werden, und sie haben es sich darin mehr oder weniger eingerichtet. Doch als der reiche Immobilienmakler Dr. Siebold den alten Kindergarten „Räuberbande“ abreißen will, weil der Plattenbau im Prenzlauer Berg teuren Luxus-Townhouses weichen soll, kann Hart seine Freunde noch einmal zum Widerstand mobilisieren. Trotz vieler kreativer Ideen – von der Observierung über das „Aufsingen“ der durch Zahlencodes geschützten Geschäftsräume, um an belastende Unterlagen zu gelangen, bis zum Einsatz von Babyfonen beim Einbruchversuch – scheitern die vier verkrachten Träumer natürlich stets, wenn es darum geht, den Plan des mit großer Finanzkraft, Rechtsabteilung und mächtigen Geschäftsverbindungen ausgestatteten Immobilienhaies zu vereiteln.
Wie vergnüglich aber dieses Scheitern anzusehen ist in der satirischen Gaunerkomödie, die Julian Tyrasa gegen den Turbokapitalismus gedreht hat, bewies auch der lang anhaltende Applaus im gut gefüllten Thalia-Kinosaal am Donnerstag. Und am märchenhaften Ende retten Hart und seine Freunde die „Räuberbande“ – und damit ein Stück eigener Identität.
Recht bald drehte sich das Filmgespräch, zu dem neben Julian Tyrasa auch die Darsteller Fabian Böckhoff, Dirk Dreissen, Frank Dukowski, Uli Engelmann und Karoline Hugler gekommen waren, um das Budget des Films und damit um die Bedingungen seiner Entstehung. Julian Tyrasa hat „HARTs5“ – der Titel spielt sowohl auf Hartz IV wie auch auf Steven Soderberghs „Ocean’s Eleven“ an – nicht nur mit 5000 Euro eigenem Geld allein finanziert, sondern zeichnet auch in Personalunion für Drehbuch, Regie, Schnitt, Musik und Produktion verantwortlich. Nach „bitteren Erfahrungen in den Jahren zuvor mit der Filmförderung und Redaktionen in Sendern“ habe er nach vielen Kurzfilmen endlich einen Langfilm drehen wollen. „HARTs5“, bei diesem Thema passt es sogar, wenn wenig Geld da sei, stellt er fest. „Bei den anderen Stoffen, die ich in der Schublade habe, hätte man mit dem wenigen Geld viele Kompromisse machen müssen.“
Und auf das Thema Prenzlauer Berg sei er gestoßen, weil es sozusagen vor der Haustür gelegen habe. Denn seit 2002 habe er dort gewohnt. Doch aufgrund der unangenehmen Veränderungen – „zum Teil sieht es ja da nun auch schon so aus wie in Bielefeld, wo ich herkomme“ – haben er und Karoline Hugler den Prenzlauer Berg verlassen. Heute leben sie in Caputh und leiten das Theater Comédie Soleil in Werder.
Dass die Figur des fiesen Geschäftsmannes ausgerechnet ein Schwabe wurde, sei allerdings zufällig entstanden: Bei der ersten Lesung sei ihm bei Oliver Stadel, der den Dr. Siebold spielt, ein leiser schwäbischer Akzent aufgefallen: „Ich wäre ja dumm gewesen, das nicht zu benutzen“, sagt der Filmemacher. Das Drehbuch wurde nach einer ersten Fassung gemeinsam weiterentwickelt, die 21 Drehtage zogen sich für das Filmteam über knapp drei Monate, weil alle Angebote zum Geldverdienen außerhalb des Projektes genutzt werden mussten. Schnell stellt sich auch heraus, dass dem Filmteam die prekären Lebenssituationen ihrer Protagonisten nicht fremd waren. Nicht nur der Schauspieler Frank Dukowski, der den vergrämten Literaten Frank spielt, spricht von Sorgen, die mal eine Weile abwesend sind, aber dann doch wiederkehren. Auch Julian Tyrasa gibt zu, ernsthaft überlegt zu haben, Hartz IV zu beantragen, um Zeit für den Filmschnitt zu haben. „Aber ich habe ihm gesagt, wenn du das machst, kommst du da nicht mehr raus“, sagt sein langjähriger Freund Fabian Böckhoff – im Film Hart – der auf komödiantische Weise zuvor das Publikum instruiert hat, wie es mittels Links, Mottofotos oder Telefonketten die Verbreitung des Films und seine Macher unterstützen kann. Auch Dirk Dreissen, Darsteller des gefeuerten Schauspielers Kurt, hat dazu eine Idee. Er arbeitete nämlich nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Lehrer und wird den Film in Kreuzberg vor Kindern zweigen.
Ob der Film auf Festivals laufe, will ein Zuschauer wissen. Nein, kein einziges der Festivals, bei denen er angefragt habe, habe den Film genommen, antwortet Julia Tyrasa. Und setzt hinzu, nach dieser bitteren Zeit sei es wie ein Wunder gewesen, dass der Verleiher Herr Barnsteiner den Film angenommen und ins Kino gebracht habe. Der Aufruf eines befreundeten Regisseurs, Julian Tyrasa und seine Freunde auch durch einen Besuch im Comédie Soleil zu unterstützen, beschließt den Abend – und entlässt ein gut gelauntes Publikum.
Gabriele Zellmann
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