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Von Heidi Jäger: Verletzlich

Gestern wurde das 12. Festival der Frauen eröffnet / Gosha erzählt vom Werden und Vergehen

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Schwarz kann viele „Farben“ haben. Es zeigt Düsternis und Schwere, Kraft und Melancholie, Ende und auch Anfang. Im geschützten Dunkel der Erde reift wie im Mutterleib neues Leben heran, um nach den Jahren der Blüte und des Verfalls wieder zu Erde zu werden. Die indische Malerin Gosha Nagashima-Soden durchschreitet in der Poesie ihrer Bilder diesen immerwährenden Kreislauf. In ihrem monochrom schwarzen Bild „eclipse“ arbeitete sie unter dem Rund von Sonne und Mond klare Strukturen hinein: Tiefen und Höhen, die eng beieinander liegen.

Ihre gestern zum Auftakt der Frauenwoche eröffnete Ausstellung im Alten Rathaus lässt die emotionale Seite des Weiblichen schwingen. Bei der 1957 in Kaschmir als Tochter eines Inders und einer Polin geborenen Künstlerin, die seit gut einem Jahr in Potsdam wohnt und arbeitet, gibt es kein wildes Aufbäumen. Sie meditiert in der Stille und erhebt dann mit unverstelltem Blick klar ihre Stimme. Frauen mit ovalen schmalen Modigliani-Gesichtern schauen fragend auf die Welt. Eine Mutter umschließt in nackter Schutzlosigkeit liebevoll ihr Baby. Ihr Ausdruck spiegelt die Sorgen und Ängste aller Mütter: dass ihr größtes Glück Schaden nehmen könnte. Sie wirkt selbst noch fast wie ein Kind, das umschlungen und beschützt sein möchte.

Manche der mit wenigen Strichen gemalten Köpfe Goshas erinnern an Blüten. Am Eindrücklichsten sind sie, wenn die Künstlerin schwungvoll, doch reduziert in das Wesentliche vordringt. Gern schlägt sie dabei „florale Brücken“ zwischen Mensch und Natur. „Meine Arbeit ist ein gemaltes Protokoll meiner Fragen, Sehnsüchte, Desillusionen und meines Mitgefühls. Ich berühre die Zeit, und die Zeit berührt meine Arbeit“, schrieb die Kosmopolitin, die in Japan Malerei und Kalligrafie studierte, und sich auch in ihrer Kunst nicht eingrenzen will.

So hängen neben ihren früheren Arbeiten auf Papier und den unaufdringlichen Lithografien ihre neuen Arbeiten in Öl. Mit dem Spachtel trägt sie inzwischen die Farben auf, in die sie ihre Gedanken und Gefühle ritzt.  Ihre jüngsten Arbeiten sind oft fast monochrom: „wie die ,Denkmalfarbe in meiner neuen Stadt“, sagt sie.

Während ihre drei großformatigen „White flowers“ eher dekorativ wirken, atmet das in warmen Braun-, Grün- und Gelbtönen gehaltene „Triptychon“ eine geheimnisvolle Tiefe. Auf dem ihrer Ausstellung den Titel gebenden Bild „reflective mind“ schälen sich fast gespenstisch Figuren wie Schattenwesen heraus. Das zarte Licht scheint auf wie ein Kreuz der Hoffnung. Baum, Vogel, Mensch – sie alle nähren sich aus der gleichen Quelle, wachsen und vergehen. Davon erzählt Gosha, mit leisem Lächeln – mittendrin.

Zu sehen im Musikzimmer des Alten Rathauses, Di bis So 10 bis 18 Uhr.

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