Kultur: Verletzlich und einsam
Wolfgang Joops „Im Wolfspelz“ verlangt vom Leser Geduld
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Wolfgang Joops „Im Wolfspelz“ verlangt vom Leser Geduld Es gibt Bücher, die möchte man nicht aus der Hand legen, bis die letzte Seite gelesen ist. Wolfgang Joops „Im Wolfspelz“ gehört nicht dazu. Dabei wäre der Umfang des autobiografisch angelegten Buches mit seinen knapp 300 Seiten nicht gerade überdimensioniert – wenn es denn wirklich etwas zu erzählen hätte. Nicht dass sich der Modedesigner nicht aufs Schreiben versteht. Er führt durchaus eine leichte Feder, ist ein ausgezeichneter Beobachter und weiß sich, in andere Menschen einzufühlen. Mit Poesie und philosophischem Gespür reflektiert er den Zeitgeist und schaut mit kritischem Blick hinter die eigene Glimmer- und Glitzerwelt. Mit erstaunlicher Ehrlichkeit gibt der Autor auch seine eigene Gefühlswelt preis. Doch gerade hier liegt die Crux: trotz des sehr privaten Zuschnitts erfährt der Leser nicht wirklich etwas über die immer wieder benannte innere Zerrissenheit. Ja, dem Autor machen die Sehnsucht nach einem „Gefährten der Seele“ und die Kompromisse in seinem Beruf zu schaffen. Doch so wie er sich selbst als Puppenspieler betrachtet, wirkt auch sein Buch oft inszeniert, nicht wirklich fühlbar. Die vom Autor beschriebene Liebesbeziehung zu dem schönen Josh mit den schwarzen mandelförmigen Augen, einem der vielen gefallenen Engel, hätte sich gut und gern in einer kleinen Erzählung unterbringen lassen. Über Gebühr wird sie ausgebreitet und bis zur Langatmigkeit zelebriert. Joops New Yorker Welt zwischen Penthouse, Kneipen, Schönheitschirurgen und Scheinwerferlicht bleiben trotz detaillierter Beschreibung entrückt. Die Hoffnung, dass der Autor die Fäden seiner einfühlsamen Kindheitsbeschreibungen, die er sehr authentisch und fast beklemmend notiert hat, wieder aufnimmt, bleiben unerfüllt. In den zwei Kapiteln über seine Bornstedter Zeit erzählt Joop das „wahre Märchen über den kleinen Wolf“, der eigentlich seinem Namen Wolfgang alle Ehre machen und zu einem energischen, pflichtbewussten Mann heran wachsen sollte. „War es die Sehnsucht der Mutter und Tanten nach der Liebe eines Mannes, die er so sehr spürte, dass er niemals Mann werden wollte? Unter Kindern fühlte er sich isoliert, unter Erwachsenen verraten. Als Einzelkind forderte er von allen Ausschließlichkeit und diese Forderung machte ihn verletzlich und einsam.“ Als der Vater endlich Mitte der 50er Jahre aus der Kriegsgefangenschaft zurück gekehrt war, stand er ratlos vor diesem ihm so fremden Sohn, „der sich selbst ein Rätsel war, sich einerseits nach Beständigkeit sehnte, andererseits davon träumte, alles Vertraute zu verlassen ... Später, als er erwachsen war, nannte er sich nur noch Wolf, den Familiennamen, den er mit seinem Vater teilte, ließ er weg. Da hatte er schon gelernt, sich zu verstellen. Sich selbst zu trauen, lernte er nie.“ In großer Dichte schaut Joop – der sich ausschließlich in der dritten Person dem eigenen Ich nähert – auf diese Zwiespälte zurück, auf die Kluft zwischen den an ihn gestellten Erwartungen und der eigenen Sehnsucht, die ihn oft aus dem Gleis wirft. „Einst hatte er gekämpft, um einzigartig zu sein. Jetzt fanden die anderen ihn nur noch eigenartig. Und er sich auch. Er passte nicht mehr zu denen, die ihn liebten, gehörte zu niemandem mehr.“ Er machte sich auf die Reise ins ferne Amerika. Es gibt durchaus immer wieder Passagen, die gefangen nehmen, wie über das Sterben seiner geliebten Tante, die so gern noch das Frühjahr in ihrem Garten erlebt hätte. Doch so bald Joop sich zwischen Drogen, Sex und der Selbstverliebtheit der New Yorker Szene bewegt, überträgt sich die Leblosigkeit dieser exaltierten oberflächlichen Kreise auch auf den Leser. Er verspürt wenig Lust, sich in diese fremde Welt hinein zu begeben. Vielleicht war Joop beim Schreiben einfach zu dicht dran, hatte noch keinen freien Blick auch auf die Beziehung zu Josh, um daraus Literatur entstehen zu lassen. So wirkt vieles banal und oberflächlich und auch die umfangreiche „Zitatensammlung“ kann daran nichts ändern. Man spürt, dass vieles in dem Autor wühlt, ihn verzehrt und nach Offenbarung schreit. Doch die Worte bleiben oft wie eine Folie über die wirklich relevanten Dinge haften. „Im Wolfspelz“ (Eichborn Verlag) ist kein Roman, keine Autobiografie – vielleicht ein Erlebnisbericht. Es könnte mehr daraus werden. „Der Leser muss nachsichtig mit mir sein und auch geduldig.“ Wie wahr. Wolfgang Joop sollte aber auch sich selbst und seinen Schreibkünsten gegenüber geduldiger sein. Ganz sicher könnte dann wirklich ein Roman in ihm reifen.Heidi Jäger
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