Kultur: Vermittler im Rathaus
In „Königliche Visionen“: Das Bildnis des Oberbürgermeisters von Potsdam Wilhelm Saint Paul (1821 bis 1844)
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In „Königliche Visionen“: Das Bildnis des Oberbürgermeisters von Potsdam Wilhelm Saint Paul (1821 bis 1844) Das Potsdam-Museum veranstaltet gegenwärtig im Haus der Brandenburgisch-preußischen Geschichte die Ausstellung „Königliche Visionen – Potsdam, eine Stadt in der Mitte Europas.“ Dazu veröffentlichen wir eine Folge von Beiträgen, die herausragende Exponate beschreiben. Heute: Das Gemälde von A. Moores „Wilhelm Saint Paul, Oberbürgermeister von Potsdam (1821 bis 1844)“ – ein herausragender Mann der ersten Stunde. Wahlen in Potsdam! Wie hat eigentlich alles angefangen? Erst vor knapp 200 Jahren, 1809 um genau zu sein, durften zum ersten Mal die Bürger in Potsdam die Geschicke der Stadt in die eigenen Hände nehmen. Die ein Jahr vorher erlassene Städteordnung erlaubte nur etwa 1500 Herren der Schöpfung die Abgabe ihrer Stimme – bei knapp 14 000 Bewohnern. Damals durften nicht alle Bürger wählen – Frauen schon gar nicht – und heute tun es nicht alle! Allerdings gab es auch noch keine Parteien, die eine Entscheidung möglicherweise erschweren, und wurde der Einsatz der Kandidaten für die Heimatstadt sehr kritisch beurteilt. Wilhelm Saint Paul war einer derjenigen, die sich der Bürgerwahl stellten. Seit dem Einmarsch Napoleons in Potsdam 1806 hatte er seinen französischen Vornamen Guillaume abgelegt. Als Nachfahre eines im 17. Jahrhundert eingewanderten Hugenotten hatte er sich für das unter französischer Besatzung leidende Potsdam stark gemacht. Die Stadt stöhnte unter Einquartierung und Kontributionen. Für zwei Jahre war Potsdam sogar Hauptkavalleriedepot für 12000 französische Pferde. Armut und Verschuldung der Stadt nahmen rapide zu - ein bekanntes Phänomen? Allerdings muss heute niemand hungern, während damals ein Drittel der gesamten Bevölkerung unter der Armutsgrenze dahinvegetierte. Die Potsdamer Wähler erhofften sich von dem jungen engagierten Sohn des Richters der Französisch-Reformierten Gemeinde Abhilfe und schlugen ihn sogar für das Amt des Oberbürgermeisters vor. Dem preußischen König gebührte das letzte Wort bei der Bestätigung eines der drei vorgeschlagenen Kandidaten. Der 33jährige Saint Paul wurde abgelehnt. War er in den Augen Friedrich Wilhelms III. zu jung? Oder störte ihn die französische Abstammung? Der Sieg über Napoleon 1813 lag noch in weiter Ferne. Erst in der zweiten Legislaturperiode 1821 widersetzte sich der König nicht mehr und ernannte Wilhelm St. Paul zum Oberbürgermeister der Stadt Potsdam. Für ein knappes Vierteljahrhundert lag die Verantwortung für das Wohl und Wehe der Stadt nun in seinen Händen. Als Oberbürgermeister war Wilhelm St. Paul in erster Linie Mittler zwischen den Stadtverordneten und dem Magistrat. Die Selbstverwaltung von Potsdam brauchte mündige Bürger und vor allem Geld. Das besondere Interesse der Stadtverwaltung bestand darin, zahlungskräftige Bürger nach Potsdam zu holen. Mehrere Akzente setzte er in seiner Amtszeit: Geld zu sammeln, Fonds mitzugründen, bürgerschaftliches Engagement - wie zum Beispiel Hilfe zur Selbsthilfe - zu fördern, sowie bei der Bekämpfung von Krankheiten hilfreich zu sein und Verbesserungen im Schulwesen zu erreichen. Beispiele sind Institutionen, wie „Kinderbewahranstalten“, die Gründung einer „Erziehungsanstalt für sittlich verwahrloste Knaben“ oder das „Potsdamsche-Bürger-Rettungs- Institut“. Wilhelm St. Paul begleitete entscheidend das Entstehen der Potsdamer Kulturlandschaft. Die Potsdamer Bürgerschaft bedankte sich nach der Pensionierung bei ihm für sein Engagement mit einer besonderen Geste. Es fand ein Festakt mit anschließendem Fackelzug statt. Wertvolle Ehrengeschenke, eigens durch den Hofarchitekten Ludwig Persius entworfen, erinnerten St. Paul bis zu seinem Tod an die Dankbarkeit der Potsdamer Bürger. Wie sehr Potsdam ihm zu Dank verpflichtet war, zeigt das Porträt des herausragenden Sohnes der Stadt, das in der Ausstellung „Königliche Visionen" im Kutschstall am Neuen Markt zu sehen ist. Uwe Fröhlich „Königliche Visionen. Potsdam eine Stadt in der Mitte Europas", bis 28. März 2004, Di bis So, 10 bis 18, Mi bis 20 Uhr.
Uwe Fröhlich
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