Kultur: Verpasste Verjüngung
Karin Bachner in der Reihe „The Voice in Concert“ im Potsdamer Nikolaisaal
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Karin Bachners Weg ging in letzter Zeit steil nach oben. Nach Abschluss ihres Jazz- Gesangsstudiums im Brucknerkonservatorium in Linz war die Österreicherin bereits 2006 Preisträgerin des „Jazz Fest Wien Vocal Awards“. Auf ihr Debutalbum „Spring is on the Way“ folgten Touren durch Österreich, Deutschland, Luxemburg sowie Auftritte bei namenhaften Jazzfestivals. Grund genug der quirligen Wienerin bei der Reihe „The Voice in Concert“ im Potsdamer Nikolaisaal eine musikalische Plattform zu geben.
Von einer „Frischzellenkur“ für altbekannte Jazzstandards war da am Freitagabend im Programmheft die Rede. Und tatsächlich ist die stimmliche Perfektion Bachners bemerkenswert. Mal gibt sie sich einfühlsam und meditativ bei den tragenden Balladen, mal zeigt sie Zungenakrobatik für Fortgeschrittene in den flippigen Scattsolis. Ihre drei hochklassig swingenden Begleiter an Piano, Bass und Schlagzeug umgarnen ihre Königin dabei mit viel musikalischem Feingefühl. Besonders dem erst 27- jährigen Trommler des Quartetts, Peter Kronreis, strömt die Liebe zum Jazz aus allen Poren. Mit Haut und Haaren legt er sich in die Solis und erntet dabei zu Recht Szenenapplaus.
Auch Pianist Robert Schönherr weiß das Publikum mit kreativen Phrasierungen und ausladenen Solos zu begeistern. Die versprochene „Frischzellenkur“ lässt jedoch bis auf einige Ausnahmen auf sich warten. Wenn Karin Bachner singt, dann zieht Glanz und Glamour an uns vorüber, aber unkonventionell oder gar verjüngend wirkt hier nichts. Wie stellen uns vor, auf einem Luxusdampfer durch die Karibik zu gleiten. Eine leichte Brise weht seichte Töne hinaus auf das Meer. Männer in weißen Anzügen trinken gedankenverloren Champagner und lehnen zigarrenrauchend an der Rehling.
Alles ist oft ein Tick zu glatt, zu ruhig, zu romantisch. Kein Pirat entert das Schiff. Kein Glas geht zu Bruch. Kein Aufschrei stört die Gäste. Karin Bachners Performance ist einfach perfekt, doch scheint ihr an diesem Abend ein Prise Individualität zu fehlen. Diese wiederum blitzt in den Ansagen auf. In ihnen tauscht sie die Klischees einer amerikanischen Hochglanzdiva gegen ihre charmante österreichische Mundart. Während dieser Momente wirkt sie dann augenscheinlich frischer und authentischer als als Reinkarnation eines ihrer Idole, wie Ella Fitzgerald oder Mahalia Jackson.
Zum Ende des Konzertes gibt es dennoch im Nikolaisaal einen herzlichen Applaus für ein musikalisch lupenreines Jazzvergnügen- mit oder ohne Frischzellenkur. Philipp Kühl
Philipp Kühl
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