Von Heidi Jäger: Versammelt in Dresens „Familien-Archiv“
Szenenbildnerin Susanne Hopf übergab dem Filmmuseum ihre Arbeitsdokumente – zu „Halbe Treppe“ ebenso wie zu „Sommer vorm Balkon“ oder „Wolke 9“
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Der schwere Holztisch in ihrer Küche ächzt unter der Last der dicken Mappen. Susanne Hopf türmt auf, was sich in ihrem Berufsleben alles angesammelt hat: Motivfotos, Ausstattungsentwürfe, Szenenfahrpläne ... Reisen durch die Filmwelt, zu Didi Danquarts „Viehjud Lewi“, Volker Schlöndorffs „Die Stille nach dem Schuss“ und immer wieder zu Andreas Dresen, dessen Filme sie fast alle in Szene setzte. Dicke Packen sind es geworden, die mehr und mehr ihren Keller füllten.
Da kam die Anfrage des Potsdamer Filmmuseums gerade recht, ihre gesammelten Werke ins Archiv zu übernehmen. Die Berlinerin machte Klarschiff und war froh, sich trennen zu dürfen. „Das schafft Platz und ich weiß meine Sachen in guten Händen.“ Im Filmmuseum befindet sie sich nun in bester Gesellschaft: mitten drin in ihrer Dresen-Familie, mit der sie seit 16 Jahren unzertrennlich ist. Und auch ihr Lehrmeister Alfred Hirschmeier, Nestor der DEFA-Szenenbildner, ruht dort mit seinem Nachlass. Er war es, der sie einst zum Film „verführte“.
Susanne Hopf studierte damals an ihrer Heimatstadt Dresden Kostümgestaltung und suchte gerade einen Praktikumsplatz: „Früh hatte ich einen Termin bei Hirschmeier in der DEFA, nachmittags einen am Hans Otto Theater. Ich wollte eigentlich Bühnenbildnerin werden.“ Doch Hirschmeier sah ihre Mappen und sagte sofort: „Ich stecke dich ins Volontariat. Wir brauchen Szenenbildnachwuchs. Er hielt die Hand auf meine Bewerbungszeichnungen und damit war mein Bühnenbildpraktikum gestorben.“ Die DEFA delegierte sie schließlich zum Bühnenbildstudium. „Doch als zwei Jahre später Hirschmeier an der HFF die erste Szenenbild-Klasse eröffnete, lief ich mit fliehenden Fahnen über“. Das war 1991.
Susanne Hopf schwärmt von diesem Mann, der sich weder künstlerisch noch politisch vereinnahmen ließ. Natürlich bedauerte er es, als 1992 seine ,Filmbauhütte’, wie er die versammelten Gewerke auf dem DEFA-Gelände nannte, auseinanderfiel. Aber er war zu leidenschaftlich, um verbittert zu sein. Er arbeitete weiter.“ Für Susanne Hopf klingen die Worte ihres 1996 verstorbenen Lehrers noch heute nach: „Bei jedem Film muss man immer wieder von vorne anfangen.“
Das ging ihr auch bei ihrem letzten Film nicht anders: „Whisky mit Wodka“, dem jüngsten Dresen-Film, der im September in die Kinos kommt. Er erzählt die Geschichte eines berühmten Schauspielers, der aufgrund seines Alkoholkonsums auszufallen droht. „Es wäre ein wunderbarer Film für die Berlinale gewesen, denn es geht ums Filmemachen“, schwärmt Susanne Hopf.
Als Szenenbildnerin ist sie eine der ersten, die vor Drehbeginn die Filmspuren legt. „Ich lese das Buch, mache mir parallel dazu erste Skizzen in Form eines Storyboards, um den Film optisch in den Kopf zu kriegen, spreche mit dem Regisseur über seine Intentionen und begebe mich dann allein in meinem Auto auf Motivsuche.“ Den Fotoapparat immer parat. Für „Whisky mit Wodka“, der tragikomischen Alltagsgeschichte im Filmmilieu, ging es an die Ostsee und zurück in die späten 20er Jahre. „Von Wolfgang Kohlhaase war vorgegeben, dass das Ganze in einem großes Hotel direkt am Meer spielen soll. Und schon stand ich wie so oft vor dem Problem des Autorenwunsches: Die Ostsee ist schließlich nicht die Riviera, die Terrassen liegen zumeist hinter den Dünen.“ Susanne Hopf graste die Küste ab, auch die polnische, um vielleicht dort ein vergessenes Juwel aufzuspüren. Umsonst. Zurück an der heimischen See wurde sie in Binz fündig. Doch die Erleichterung war von kurzer Dauer. Denn das besagte Filmteam, das Dresen in seinem Film filmte, sollte neben dem Hotel in einer Bungalowsiedlung leben. „Das gab es früher so. Wir fanden aber nur noch Ferienlager, und die waren zu alt.“ Bungalows nachzubauen, sei indes im Naturschutzgebiet verboten. Der Ausweg: Sie ließen große amerikanische Wohnwagen, die sonst im Studio Babelsberg stehen und den Stars sehr komfortabel mit Dusche und Flachbildschirm als Pausenunterkunft dienen, direkt an den Strand schleppen. „Das hatte den Charakter eines Nomadenlebens. Eine starke Behauptung. Aber sie gefiel uns.“ Allerdings kam die Crew zeitlich ins Schlingern, da Tom Cruise einen der sechs Wohnwagen zu lange in Beschlag genommen hatte. Natürlich den größten, wie es sich für einen Star gehört. „Das Innere des Wagens bauten wir dann im Studio nach. Denn der außen schnieke Wohnwagen mutete im Inneren zu amerikanisch, mit der vielen Plastik zu billig an.“ Um die Ostsee ins Studio zu holen, nahmen sie Sand und auch stinkende Algen mit, denn für Schauspieler sei der Geruch nicht unwichtig. „Andreas Dresen arbeitet sehr präzise, weiß genau, was er will. Manchmal begreift man erst hinterher, dass er Recht hat. Aber inzwischen habe ich großes Vertrauen zu ihm“ – gewachsen bei Filmen wie „Raus aus der Haut“, „Halbe Treppe“, „Die Polizistin“, „Sommer vorm Balkon“, „Willenbrock“ und auch „Wolke 9“.
„Wolke 9“ sei anders als „Whisky mit Wodka“ vom Szenenbild nicht die große Herausforderung gewesen. „Für mich sind aber vor allem die Geschichte und der Regisseur wesentlich und erst in zweiter Linie, ob es ein großer Ausstattungsfilm ist. Lieber drehe ich ,Wolke 9’ als einen historischen Eventfilm bei SAT 1. Ich will hinter dem Produkt stehen, in das ich so viel Lebenszeit und Anstrengung stecke.“ Bei „Wolke 9“ fühlte sich Susanne Hopf, als würde sie einen Haushalt führen. „Wir verbrachten mit unserem Miniteam die meiste Zeit nur in einer Wohnung.“ Mit dabei war auch ihre sechsjährige Tochter, „die vor der Kamera stand und nun endlich weiß, wie ich meine Arbeitszeit verbringe.“
Es sei oft schwierig, Familie und Beruf zu koordinieren, zumal auch ihr Mann als Bühnenbildner am Theater nicht gerade kinderbetreuungstaugliche Arbeitszeiten hat. „Früher habe ich das Herumreisen hundertprozentig genossen, heute bin ich oft im Zwiespalt. Vor allem wenn ich für das Fernsehen arbeite. Dort geschieht immer alles unter Zeitdruck.“
Gerade warte sie wieder auf einen Anruf. Mit Marc-Andreas Borchert will sie fürs Fernsehen einen Film über Jugendkriminalität drehen. „Im März sollte es schon losgehen. Aber ich brauche einen Vorlauf, um eine Kinderfrau zu bekommen.“
Auch in den Zeiten zwischen den Drehs ist Susanne Hopf auf Achse: dann mit Mann und Tochter. Sie durchstreifen die Gegend, schauen in Hinterhöfe, Parkhäuser oder Tunnel. Immer auf der Jagd nach Skurrilem. „Ich bin eine Sammlerin.“ Sie fotografiert alte Türen, Holzfußböden mit tiefen Kerben, morbide, verformte Dinge, die sie gern auf die Leinwand oder Bühne bringen will. Ja, auch mit dem Theater liebäugelt sie, wiederum mit Andreas Dresen an der Seite. „Im Theater kann man etwas aus dem Nichts schaffen und Räume noch mehr durchformen.“ Im Film sei das Gestalterische des Szenenbildners dem Zuschauer oft gar nicht bewusst. „Es ist nicht augenfällig, ob ein Flur lang ist, eine Decke niedrig. Aber für die Atmosphäre ist es wichtig.“
Gern schaut die 43-Jährige in andere Wohnungen, während sie ihre eigene nicht gerade als die eines Ausstatterpaares bezeichnen würde. „Wir arbeiten uns im Beruf zu sehr ab.“ Und so findet in ihrer schlichten Küche mit dem großen, durchfurchten Tisch und den vielen offenen Regalen auch das Aquarium der Tochter Platz. In ihrem Buch „Plattenbau privat“ hielt sie gemeinsam mit Natalja Meier 60 Interieurs fest und es machte sie staunen, welche Menschen sich wie behausen. Das räumte mit ihren Klischees tüchtig auf.
Susanne Hopf sammelt Zeitgeschichte, so wie das Archiv des Filmmuseums. Irgendwann wird man ihre Storyboards, Fotos und gebauten Modelle auch in einer Ausstellung sehen – gemeinsam mit den anderen „Devotionalien“ der Dresen-Familie. „Auf jeden Fall ist eine geplant“, so die Marketingchefin des Filmmuseums, Christine Handke. Nur der Zeitpunkt sei noch offen. Im kommenden Jahr gibt es als Vorgeschmack eine Ausstellung zu „Halbe Treppe“ im Museum für Junge Kunst in Frankfurt/Oder, mit dem Filmmuseum als Partner. Susanne Hopf ist sicher mit dabei, mit ihren Atmosphäre schaffenden, oft skurrilen Räumen.
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