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Kultur: Verschmolzen

Neues Kammerorchester spielte im Nikolaisaal

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Russland – Leidenschaft und Melancholie – schon der markige Titel erregte Aufmerksamkeit genug, um dem Neuen Kammerorchester Potsdam bei seinem 3. Sinfoniekonzert im Nikolaisaal gut gefüllte Ränge zu bescheren. Auch die angekündigten Werke – darunter Peter Tschaikowskys weltberühmtes Klavierkonzert – besitzen nach wie vor große Zugkraft. Mit Martina Filjak erschien zudem eine der erfolgreichsten Nachwuchspianistinnen der jüngsten Zeit in Potsdam. Dass dieses Konzert in sehr guter Erinnerung bleibt, ist nicht zuletzt ihrem brillanten Auftritt zu verdanken.

Zwar wurde der russische Reigen unter der Leitung von Ud Joffe am Donnerstag mit den beliebten „Steppenskizzen aus Mittelasien“ von Alexander Borodin eröffnet, in der Folge erwies er sich dann aber als reiner Tschaikowsky-Abend. Borodins Tongemälde steht ganz in der Tradition der symphonischen Dichtungen von Franz Liszt, dem dieses Werk auch gewidmet ist. Der russische Komponist, der hauptberuflich als Medizinprofessor tätig war, beschrieb das Programm seines Werks detailliert: „Eine asiatische Karawane nähert sich. Sorglos und sicher nimmt sie unter dem Schutz der russischen Waffen ihren Weg durch die endlose Weite der Wüste. Das Lied der Russen und die Weise der Asiaten verbinden sich zu einer gemeinsamen Harmonie.“ Rein musikalisch sucht die Steppenskizze zwei Welten zu verbinden, jedoch in Gestalt europäisch-symphonischer Musik.

Zu Beginn erklingt ein einziger hoher Violinton im Flageolett, der über die ersten neunzig Takte gehalten wird. Dazu hörte man – etwas schwach - die Kantilene des Horns, sodann – umso ausdrucksvoller – die Melodie des Englischen Horns. Im Pizzicato galoppieren Celli und Kontrabässe heran. Nach aparten Holzbläser-Passagen und bukolischen Streicheridyllen verschmelzen beide Melodien im Strom breitesten symphonischen Jubelklangs bevor Flöte und Geigenton wieder die Illusion von Weite und Einsamkeit erwecken.

Ein Gänsehaut-Stück ersten Ranges ist Peter Tschaikowskys erstes Klavierkonzert in b-moll bis heute. Zumindest die vollmundige Introduktion mit Hornfanfaren, Streicherwogen und mächtigen Klavierakkorden verfehlt kaum je die Wirkung. Auch dann nicht, wenn Tschaikowskys Klangorgien im vergleichsweise kleinen Nikolaisaal mit dem relativ klein besetzten Neuen Kammerorchester nur reduziert entfaltet werden können. Dafür scheint der Klavierpart umso mehr hervor und bietet Martina Filjak viel Gelegenheit ihr stupendes Talent und Können zu zeigen. Abwechselnd zart und hart im Anschlag, überaus geläufig im legato und staccato, brillant in den Verzierungen, temperamentvoll in den Kadenzen erweist sich die junge Kroatin als Tastenlöwin ersten Rangs. Die stehenden Ovationen werden von Martina Filjak mit dem extrem anspruchsvollen, großartig gespielten Nocturne op. 9 Nr. 2 für die linke Hand von Alexander Skrjabin belohnt.

Kammermusikalisch geht es weiter mit der Serenade für Streicher C-Dur op. 48 von Peter Tschaikowsky. Dass auch dieses Werk nicht weltweit geliebt wird, zeigt sich beim formidablen Spiel der Streicher des Neuen Kammerorchesters. Den Hinweisen ihres Chefdirigenten folgen die Musiker hingebungsvoll und zaubern poetisch zarte, tänzerisch mitreißende, stürmisch bewegte Klangbilder hervor. Ein prachtvolles Werk, das barocke Strukturen, Walzerklänge und russische Folklore elegant und erlesen miteinander verschmilzt. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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