Kultur: Verschwimmende Körper
„in allen zeiten gleichzeitig“: Angelika Margulls zwielichtige Stimmungen im Kunsthaus Potsdam
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„Seit Stunden kauert der Zwerg“ lautet eine Zeile aus dem Gedicht von Markus Lüperz, das er 1981 der Künstlerin Angelika Margull widmete. So könnte man einige der Bilder nennen, die in den beiden Räumen von der Berliner Künstlerin und Potsdamer Professorin Angelika Margull mit ihren meist großformatigen Arbeiten bespielt werden.
Märchengestalten in einer seltsamen Stimmung, die nicht immer heiter ist, bevölkern ihre Bilder. Man muss sich erst einmal an die Farbigkeit, die einen merkwürdigen Ton vorgibt und die beiden großen Räume des Kunsthauses in eine eigenartige Atmosphäre gießen, gewöhnen. Das sind keine reinen, sondern ausschließlich gemischte Farben, in die sie ihre Körperformen taucht. Denn es handelt sich fast ausschließlich um menschliche Körper, die miteinander beschäftigt sind und die dem Betrachter fast alle den Rücken zuwenden.
Sie changieren in Grüntönen von einem gemischten Gelbgrün bis zum blautürkis schimmernden Zwischenraum. Auf anderen Bildern dominieren Rot- und Brauntöne in ebenfalls vielfältigen Mischschattierungen. Es ist fast so, als eröffne die Malerin einen Blick in eine Schattenwelt, auf eine Art Höhlengleichnis menschlichen Miteinanders.
Je mehr man sich in die Szenerie eindenkt, umso undeutlicher wird der Eindruck, den man bekommt, umso mehr scheinen die Konturen zu verschwimmen. Manchmal könnte es sich um Boxkämpfe handeln, wenn die Wesen ihre Arme recken und man fürchtet um den Ausgang des Kampfes. Dann wieder ist man an eine Familienidylle erinnert, deren Schönheit gerade vergeht.
Selten nur sind die Personen einander zugeneigt, meist wenden sie sich voneinander ab. Es wirkt wie ein stummer Kampf, den jedes der vergehenden, an menschliche Geschöpfe erinnernde Individuen führt, ein Kampf, der von vornherein müßig und irgendwie verloren scheint.
Sicherheiten und klare Farben sind wie weggewischt, es gibt sie nicht, das Leben vergeht im Ungefähren. Bei einigen der Bilder sind wie Gitter Schraffuren in den Bildhintergrund integriert, die das Gefangensein der mit sich und ihrer Umgebung scheinbar Hadernden sinnfällig intensivieren. Unterschiedlich konturiert sind diese Wesen, die da um ihr Leben und ihre Definition kämpfen. Manche befinden sich im grellen Licht der scharfen Umrisslinie und gewinnen dennoch nicht an Leben. Jene Arbeiten, auf denen sich zwei Figuren befinden, erinnern an den stummen Kampf der Paare – wie sie, wortlos geworden, nicht mehr wissen, was einander erzählenswert wäre, und wie sie versuchen, diese Stummheit voreinander zu verbergen.
Andere Bilder erinnern in ihrer merkwürdigen Düsternis an jene utopischen Wesen, die zwar aussehen wie Menschen, aber maschinengesteuert sind. Die Fantasie jedenfalls erhält genügend Zwischenräume, sich so oder anders zu entwerfen.
Angelika Margull studierte in Braunschweig und Berlin und arbeitete lange Zeit für den Film – unter anderem für Wim Wenders. Seit 2002 nun malt sie wieder, dank eines Stipendiums, das sie nach Singapur brachte, wobei die asiatischen Spuren nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Die Werkgruppe ist von 2002 bis jetzt entstanden, und sie rückt den Betrachter in eine ganz zwielichtige Stimmung, die unerklärbar bleibt und sicher auch nicht aufgelöst werden soll.
Die Ausstellung „in allen zeiten gleichzeitig“ zeigt eine ganz unbekannte Angelika Margull, die es wert ist, gesehen zu werden.
Bis 5. November, Mi bis Fr 15 bis 18, Sa und So 12 bis 17 Uhr.
Lore Bardens
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