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Von Heidi Jäger: Verwandlerin

Barbara Kuchenbuch verlässt nach 38 Jahren das Hans Otto Theater / „Kirschgarten“ ist ihr Ausstand

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Heute steht sie das letzte Mal vor dem vertrauten Spiegel. 38 Jahre schauten darin Schauspieler und Sänger zu, wie sie durch die perfekt sitzenden Handgriffe von Barbara Kuchenbuch aus Privatmenschen zu Bühnenfiguren wurden. Wenn die Maskenbildnerin heute Gabriele Näther für den „Kirschgarten“ schminkt und frisiert, kommen sicher ganze frühe Erinnerungen hoch.

Mitte der 70er Jahre wurde ihr die Sängerin das erste Mal anvertraut, nachdem in einer Kritik über die Konstanze in Mozarts „Entführung aus dem Serail“ zu lesen war: „Wer hat ihr bloß diese hässliche Perücke übergestülpt?“ Umso mehr freute sich Barbara Kuchenbuch, wenn sie später jemand nach der Vorstellung sagen hörte: „Ach Gabi, du sahst aber toll aus.“ Die Maskenbildnerin „bastelte“ gern an jeder Sängerin solange herum, bis sich diese ganz sicher fühlte. „Dann kommen die Töne doch gleich ganz anders“, sagt die 65-Jährige, die weiß, dass das Äußere auch das Innere stärkt.

Sie hat ihren Beruf sehr geliebt und ist um so erstaunter, dass sie sich jetzt so leicht verabschieden kann. Mit ihrem Ausstieg löst sich der fünfköpfige „Kuchenbuch-Clan“,der viele Jahre kräftig im Spielbetrieb des Hans Otto Theaters mitmischte, nun fast gänzlich auf. Nur ihr geschiedener Mann Roland kann trotz Rentenalters nicht von der Bühne lassen und spielt als Gast weiter.

Familie war für Barbara Kuchenbuch immer wichtig, auch wenn sie im Theater tunlichst auf kollegiale Distanz achtete. Geschminkt hat sie ihre Schauspieler-Söhne Christian und Robert nie. Die übernahm ihr Kollege und guter Freund schon aus Studienzeit, Chefmaskenbildner Klaus Friedrich. „Oft sagte er mit seinem trockenen Humor: ,Jetzt sitzen diese Bälger auf meinem Stuhl und ich muss sie schminken’.“ Er kannte ihre Jungs schon aus Zittau, wo sie gemeinsam engagiert waren. Barbara hatte zuvor im Schnelldurchlauf ein Jahr Friseurin gelernt, Voraussetzung, um 1964 für das gerade erst gegründete Fachschulstudium für Maskenbildnerei in Dresden aufgenommen zu werden. Als sie ins Studentenleben startete, war Sohn Christian schon geboren, am Ende kam Sohn Robert. Und in Potsdam hielt sie schließlich auch Sascha im Arm, der später am Hans Otto Theater die Bühne beleuchtete und heute beim Film arbeitet.

Barbara Kuchenbuch schwärmt, wenn sie an ihre ersten Jahre in Potsdam zurückdenkt, vor allem an die Zeit mit Bühnenbildner Peter Heilein. „Er hat mir viel abverlangt und sorgte dafür, dass ich alle Opernsängerinnen schminkte.“ Den Charakter der Rollen entsprechend, sollte keiner privat rausgehen und dennoch so natürlich wirken wie im Schauspiel. Eine ihrer größten Herausforderungen war 1979 „Hoffmanns Erzählungen“ mit Eva-Maria Bundschuh in vier Frauenpartien. „Da war kaum Zeit zum Luftholen. Ich hatte für Perückenwechsel und Umschminken nur 20 Minuten und Regisseur Peter Brähmig klopfte schon nervös an die Tür. „In ihrer vierten Rolle musste die Sängerin ohne falsche Wimpern vor den Vorhang, weil ich sie in der Hektik in ein Näpfchen mit Wasser gelegt hatte.“ Aber auch da sei kein böses Wort gefallen. Wie sie überhaupt immer Anerkennung bekommen habe.

Damals arbeitete sie noch nach Figurinen, zeichnerischen Vorgaben, die auf den Darsteller zugeschnitten waren und zeigten, wie eine Perücke aussehen sollte. „Heute kommen die Bühnenbildner mit Zeitungsausschnitten und sagen: ,Mach mal!’. Das ist zwar eine Herausforderung, aber es wird viel mehr verlangt. Man kann sich nicht mehr auf die Kostümbildner verlassen.“ Und dessen ist sie langsam müde.

Auch wenn sie bis zur Wende fast immer die gleichen Köpfe in ihren Händen hielt und sicher auch eingefahren war, fielen ihr die turbulenten Wechsel später schwer. „Ich hatte immer Schiss, wenn Neue kamen und dachte, jetzt geht alles flöten, was du dir erarbeitet hast. Gerade bei Jüngeren dachte ich: Die wollen bestimmt nicht, dass hier so eine Alte steht und sie schminkt.“ Doch diese Ängste waren nur ihre eigenen. Sie weiß, dass sie schnell ist und gut trainiert und die Darsteller erst eine Stunde vor Vorstellungsbeginn zu ihr kommen müssen.

Barbara Kuchenbuch schaute zwar immer nach neuen Techniken, lief aber nie der Mode hinterher. „Für mich ist entscheidend: sitzt vor mir ein junges Mädchen oder eine gestandene Frau. Bei einer schillernden Figur kann man natürlich etwas mehr zulegen.“ Wenn Barbara Kuchenbuch arbeitet, ist sie hoch konzentriert, spricht wenig. „Es verpflichtet, wenn sich andere auf dich verlassen.“

Diese Verantwortung kann sie nun abschütteln und von unten entspannt zuschauen, ob die Maske sitzt. Sie möchte mit ihrem Lebensgefährten durch Deutschland touren und überall dort Station machen, wo ehemalige Schauspieler aus Potsdam und natürlich auch ihre Söhne arbeiten: Theater genießen, ohne das strenge Korsett des Berufslebens, das weder Ostern noch Weihnachten kennt.

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