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Kultur: Verwirrung und Verrat

Spiel mit der Wahrnehmung: In einer Gemeinschaftsausstellung im Kunsthaus Potsdam sind Künstler dem „Geheimnis“ auf der Spur

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In der Mitte des Kunsthauses Potsdam steht ein kleiner weißer quadratischer Raum. An jeder Seite des zwei Meter hohen Kastens befindet sich eine Tür. Durch die schmalen Spalten dringt das helle Licht aus Neonröhren. Doch sobald der Besucher sich dem Raum nähert und hineinschauen will, schließen sich laut ächzend und knarrend die Türen. Mehrere in der Galerie verteilte Bewegungsmelder verhindern den freien Blick ins Innere. Das Geheimnis des „Scheuen Raums“ von der Künstlerin Jenny Brockmann soll nicht gelüftet werden.

In einer Gemeinschaftsausstellung im Kunsthaus Potsdam haben sich 20 Künstler mit dem Thema „Geheimnis“ auseinandergesetzt. Neben Malerei und Fotografien sind auch Objekte, Skulpturen, Installationen und eine Videoarbeit zu sehen. Gemeinsam ist den Werken das Spiel mit Wahrnehmung und Realität: ungewöhnliche Arrangements, Winkel und verwirrende Lichtverhältnisse und Codes, Formen und Farben, Texte, die scheinbar keinen Sinn ergeben. Denn ein Geheimnis bleibt nur so lange spannend, wie es nicht gelöst ist.

Dabei offenbaren die Werke die unerschöpfliche Neugier des Menschen, seine Faszination für Rätsel, Mysterien und Codes. Ironisch halten einige Ausstellungstücke den Besuchern den Spiegel vor. So nimmt das Werk „Geheime Botschaft“ von Peter Vogel unterhaltsam und witzig die Wissbegierde des Betrachters auf den Arm. Die Installation erinnert an einen Sicherungskasten. Über ein angebrachtes Mikrofon werden Laute und Geräusche in einen sechsstelligen Code übersetzt, der in Form von Buchstaben, Zahlen und Zeichen auf digitalen Zifferndisplays erscheint. Eine tiefere Wahrheit, ein System verbirgt sich jedoch nicht dahinter. Die Zeichen ändern sich völlig zufällig. Andere Kunstwerke stellen hingegen tatsächliche Geheimnisse dar. Die beiden Künstlerinnen Nina Fischer und Maroan el Sani waren im ehemaligen Arbeitszimmer von Bertolt Brecht in Berlin auf der Suche nach dessen Aura. Mit Hilfe der Hochfrequenzfotografie, die es ermöglicht, elektrische Entladungen sichtbar zu machen, wollten sie Brechts Energie auf Bild einfangen. Zu sehen ist eine Fotografie des Zimmers bei Tageslicht und eine des komplett abgedunkelten Raums. Auf der zweiten, fast schwarzen Aufnahme ist in der Mitte ein nebliges Lichtgebilde zu erkennen. Ob es sich dabei wirklich um Brechts unsterbliche Aura handelt, soll jeder für sich entscheiden. Auch der wohl bekannteste Geheimnisverräter unserer Zeit fehlt nicht in der Ausstellung: Edward Snowden blickt scheinbar aus einem Bilderrahmen heraus in die Galerie hinein. Snowden ist der moderne Held, der sich mit seinem Verrat gegen den Überwachungsstaat gestellt hat. In einer Ecke des Bildes ist ein Binärcode gezeichnet, Verweis auf die heutigen Informationswege von Nachrichten. Gregor Cürtens Gemälde macht auf die zwei Arten von Geheimnissen aufmerksam. Diejenigen, die im öffentlichen Interesse gelüftet werden müssen, und unsere ganz persönlichen Geheimnisse, die wir lieber für uns behalten. S. Stoffers

Die Ausstellung läuft bis zum 29. Mai im Kunsthaus Potsdam, Ulanenweg 9. Vortrag zur Finissage um 16 Uhr von Hartmut Böhme über „Zufall und Geheimnis. Kultur- und kunstgeschichtliche Reflexionen“.

S. Stoffers

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