Kultur: Very British!
„Ein Garten für alle“ verwandelte die Freundschaftsinsel in einen englischen Lustgarten
Stand:
Punkt 17 Uhr, it’s Teatime, luden die diesjährigen Potsdamer Musikfestspiele am Samstag auf eine Freundschaftsinsel, die ihre Gäste ins England des 18. Jahrhunderts entführte. Mit Picknickkörben bepackt, trudelten die Besucher ein und ließen sich, zwischen blühenden Rosen und Fingerhut, auf ihren Decken nieder. Bei Musik, Tee und Croquet suchten sie Unterhaltung und Pläsier. Das Wetter, der Himmel war düster und versprach eine Hängepartie.
Dann schallten die Blechbläser der englischen Musikgruppe Fine Arts Brass über die Insel. Sie gehören seit nunmehr dreißig Jahren zu den führenden Ensembles der internationalen Szene der Blechblas-Kammermusik. Unter einem Pavillon, geschmückt mit pinkfarbenen Schmetterlingen, spielten sie alte englische Musik von John Dowland und Henry Purcell, geschrieben für die Königin, und um zu gefallen.
Während die Zuhörer lauschen, essen sie Würstchen und Salat, trinken Tee und Sekt, manche der Damen tragen Hüte. Doch ein Pärchen fällt besonders auf: Ihre Kostüme sind der Zeit des Rokoko nachempfunden. Mit einem Kinderwagen bahnen sie sich langsam ihren Weg an den Sitzenden und Liegenden vorbei. Das Programmheft bezeichnet die Belgier Dirk Standaert und Viona Ielegems als „Walking Act“. Ihr erklärtes Ziel ist die Weltflucht. Die beiden Künstler wollen ein neues Viktorianisches Zeitalter, eine romantische Welt und die Abkehr von der schnöden Realität. Bei den Zuschauern kommen sie gut an, sie werden bestaunt und fotografiert.
Fine Arts Brass spielt inzwischen Georg Friedrich Händel, „der ein ausgezeichneter englischer Komponist war“, wie der Trompeter Simon Lenton schmunzelnd sagt. Sie bieten die Wassermusik dar, von der eine Suite unmittelbar mit einer Lustfahrt des englischen Königs auf der Themse in Verbindung gebracht wird. Dazu passend können sich die Gäste in der anschließenden Pause in einem Drachenboot auf der Havel verlustieren. Geschmückt mit einem bunten Drachenkopf stammen diese Boote zwar aus China, waren aber auch in England beliebt. Es dauert ein Weilchen, bis sich die Sitzbänke der langen und schmalen Boote füllen und jeder der Passagiere ein Paddel in der Hand und eine Schwimmweste um den Bauch hat.
Vögel zwitschern. Der Wind rauscht in den Bäumen, die Springbrunnen plätschern und Satzfetzen wehen über die Insel. Die Besucher wandeln auf sandigen Wegen, betrachten die liebevoll arrangierten Beete, riechen an Blüten und bleiben vor Bronzestatuen stehen. Zwei Mädchen verschieben überdimensionale Schachfiguren. Auf einer der Wiesen werden Croquet-Schläger geschwungen. Die Stimmung ist entspannt.
Einzig der Dramaturg Jelle Dierickxs läuft emsig hin und her, doch er strahlt: Die 500 erhältlichen Karten seien sofort verkauft gewesen. Mehr Menschen wollten sie auf der Insel auch nicht haben, da jeder einzelne genug Platz haben soll. „Unser Konzept geht auf und wir sind total glücklich.“ Andrea Palent, Geschäftsführerin und Leiterin der Musikfestspiele sagt, dass „Ein Garten für alle“ aufzeige, wie sich die Menschen im 18. Jahrhundert amüsiert haben. Wie sie sich in „pleasure-garden“ trafen und Unterhaltung genossen. Die Musik der Aufklärung, fügt sie hinzu, habe die herkömmliche Form gebrochen und stellte das Herz in den Mittelpunkt. Nur wenn Musik das Herz rührte, galt sie als universell und menschlich.
Regen zieht auf und innerhalb weniger Minuten sitzen die kleinen Menschengruppen unter Regenschirmen. „Jetzt haben wir doch noch das typisch britische Wetter mitgebracht“, kommentiert Simon Lenton, wendet sich dann wieder seiner Trompete zu und die Band spielt Edward Elgars „Pomp and Circumstance“. Zwei Damen schwenken dazu feierlich britische Fähnchen.
Eine Wiese weiter übernimmt das Meccore Quartett die musikalische Untermalung. Streichquartette von Haydn, Mozart und Mendelsohn – mal dramatisch, mal heiter – kreieren eine magische Atmosphäre. Seifenblasen schweben über dem Rasen und eine Frau nimmt einen Schmetterling auf ihre Hand. Schließlich bricht die Sonne durch die Wolken und zaubert lichte Flecken aufs Grün.
Antje Stiebitz
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: