Von Gerold Paul: Viel Lob und Eigenlob
Ein Kulturlandjahr mit „Mut und Anmut“
Stand:
Alles hat mal ein Ende, auch „Mut und Anmut“ am Menschen! In diesem Sinne etwa ereignete sich am Montagabend die Abschluss-Veranstaltung des diesjährigen Kulturland-Themas im Veranstaltungssaal des Schlosses Paretz gleich neben der Remise. Es sollte ein geselliger Dankeschön-Abend werden, für Sponsoren und Macher, für Offizielle und Inoffizielle. Luisens bescheidene Hütte war noch einmal geöffnet, Remise und Kirche im preußischen Disneydorf desgleichen.
Die kulinarische Kultur entsprach dem hohen Niveau der Geladenen, für Unterhaltung sorgten Pascal von Wroblewsky nebst Band in altbewährter Weise, nachdem es mit der öligen Prosa der Offiziellen endlich zu Ende ging. Alles war mal wieder köstlich, besonders die Reden. Zuvor freilich erinnerte eine Bildprojektion den proppevollen Saal an Höhepunkte wie „Jazz Feminale“, an „Steinerne Anmut“, „Brandenburger Bräute“ und weitere Weibs-Bilderlichkeiten. Vierzig größere Projekte zu Mut und Anmut von Frauen in Preußen hier und da und über das ganze Jahr im Brandenburgischen verteilt. 70 000 Besucher sollen allein zu Luises Kleidern vor Ort geeilt sein. Sie selbst durfte zu ihrer diesmaligen Verklärung auf Plakaten und Postkarten kecken Schnurrbart und Pickelhaube tragen, eine gezielte, aber genauso wenig verstandene Kulturland-Provokation wie etwa „Miss Preußen“.
Die schönen Reden also waren Goldes wert, schon deshalb, weil man selten so viel Lob und Eigenlob hört, unter derart zivilisierten Menschen. Ganz unbemerkt entfloh dabei ein kleines Wort mit K sofort, Kritik. Der Sparkassenstiftung-Ost ein ehrliches Lob, satte drei Millionen Euro steckte sie dieses Jahr in kulturelle Projekte des Landes, auch die kleine Kulturland-Brandenburg-Truppe um Brigitte Faber-Schmidt profitierte davon. Jenseits dessen war diese hohe Stunde ein erhebendes Lehrstück zur Kulturpolitik, besonders für solche, die noch an „Unabhängigkeit von Kultur“ und „Freiheit der Kunst“ glauben. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur lobte das „überaus erfolgreiche Jahr“ von Kulturland geradezu über den Klee, und Kulturland lobte mit festem Dank zurück.
Kulturstaatssekretär Martin Gorholt ließ in seiner Ansprache durchblicken, dass man ein elementares Eigeninteresse daran habe, Themen und Träume wie die von „Mut und Anmut“ von Frauen in Preußen möglichst flächendeckend unter die Leute zu bringen. Hier geht es um nichts Geringeres als um „Gleichstellungsfragen“, nur ein anderes Wort für „Gender“, die Egalisierungs-Ideologie von Gegenwart und Zukunft. Wenn man dann auch noch nachhaltig „Frauenorte“ ausruft, dann weiß auch der Letzte, was Kulturlands größter „Projektträger“ will: Mit Kultur Politik machen, das ist sogar seine Pflicht. Angesichts solcher Kaliber ging das garstige Wort „Vermarktung von Brandenburg mit speziellen Themen“ im Bunde der Persönlichkeiten unwidersprochen durch. Merkt ja keiner, dass da offenbar jemand ein ganzes Land feilzubieten hat, wenn nur der Taler rollt. Alles ging durch an den Stehtischen der geistigen Elite Brandenburgs, das Gesagte wie das Ungesagte, man war sich auch stillschweigend einig. Was war das nur für ein Geist, in Paretz, und trotzdem so völlig abseits von Preußen!
Im Gegensatz zu „Mut und Anmut“ hat Kulturland vorerst kein Ende. Dies „Wir machen weiter“ klang sogar wie eine Drohung, es im nächsten Jahr am neuen Objekt neu zu probieren. Man will ja, so vor Ort gehört, die Menschen „für die Zukunft rüsten“. Das ist furchtbar nett vom Staat, von den Kultur-Avantgardisten im Ministerium. Und es funktioniert auch: Die Themen kommen ja nicht „von unten“, das Geld sowieso nicht, und das Publikum ist sowieso sentimental, es folgt nach Heiner Müller allein seiner Schwerkraft. Zu Hunderttausenden entdeckt es, was entdeckt werden soll, die Herzenskönigin Luise in sich selbst. Die Macher machten überall mit, indem sie vor Ort brav illustrieren, was die Obrigkeit will. Man kann dabei mehr gewinnen als verlieren. Erstaunlich, dass so viel Kulturvolk einer vorgegebenen Kampagne folgte.
Sollte dennoch einer Zweifel an der dümmlichen Verklärung Luisens oder der platten „Erotisierung“ preußischer Weiber bekommen haben, so hielt er wohl besser den Mund. Buhrufe gab es bei den Dankesreden in Paretz jedenfalls nicht. Wie man so viel Widersätzliches, Politik und Kunst, Geld und Kultur, Menschen und staatlich Beamtete, unter den einen Rock kriegen konnte, war freilich mit Abstand das größte Kunststück des Jahres.
Gerold Paul
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