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Kultur: Viele Fragen, wenige Antworten in der Kunst Diskussion zur Finissage von „Fröhliche Wissenschaft“

Von Götz J. Pfeiffer Viele Fragen, keine Antworten am Ende.

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Von Götz J. Pfeiffer Viele Fragen, keine Antworten am Ende. Das ist bemerkenswert für einen Diskussionsabend. Doch was andernorts den nicht gelungenen Austausch von Meinungen und Gedanken vor Augen führt, muss nach einem Gespräch von Geisteswissenschaftlern als Chance für neue Gedanken verstanden werden. Zur Finissage der Ausstellung „Fröhliche Wissenschaft“ hatten der Brandenburgische Kunstverein und die unterstützende Heinrich-Böll-Stiftung mit den Philosophen Christoph Menke und Frieder-Otto Wolf zwei ebenso eloquente wie beschlagene Partner zum Gespräch gebeten. Menke lehrt Ethik und Ästhetik an der Potsdamer Universität. Wolf ist als politischer Philosoph und Privatdozent an der Freien Universität in Berlin tätig. Es sollte um den „Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft“ gehen. Charakteristisch für die Veranstaltung von gut anderthalb Stunden war, dass die Moderatorin Britta Scholze von der Böll-Stiftung nur eine ihrer drei vorbereiteten Fragen stellen konnte. Schon die Begrifflichkeit ihrer Prämisse, Kunst genüge sich nicht mehr selbst und suche sich einen neuen Ort, wurde von Menke in Frage gestellt. Gebe es denn „die“ Kunst überhaupt? War und ist Kunst denn nicht immer vielfältig? Und auch auf die eigentliche Frage Scholzes, ob die heutige Kunst aus ihrer Selbstreflexivität herausgetreten und näher an die Lebenswelt herangerückt sei, beantwortete der Potsdamer Professor nicht, sondern nutzte dies als Beginn eigener Überlegungen. Völlig berechtigt war sein Einwand, der die Naivität der gestellten Frage offen legte, dass Kunst und Künstler sich immer mit der umgebenden Kultur und Gesellschaft auseinander gesetzt hätten. Präzise auch sein Gedanke, dass die Frage eigentlich lauten müsse, wie die Kunst sich auf ihre lebensweltlichen Kontexte bezogen habe und derzeit beziehe. Deutlicher noch ließ Wolf die Frage unbeantwortet, die nicht denke, was sie sage. Oder solle es etwa heißen, dass Kunst heute anders funktioniere als früher? Wenn man von Veränderungen sprechen wolle, so Wolf, solle man auf den Kunstmarkt schauen. Sei Kunst in der medialen und von Bildern bestimmten Welt doch als Material einer virtuellen Produktion angeschlossen. Bemerkenswert sei zudem, auf welche Weise der Konnex zwischen den Bio- und Informatik-Wissenschaften in Kunstprojekten und Ausstellungen hervortrete. Auch der nächste Versuch der Moderatorin, den Unterschied zwischen Kunst und „Nicht-Kunst“ zu nivellieren, arbeite doch jeder Wissenschaftler mit Utopien, Fantasien und Zielen, die alten Erlösungshoffnungen gleichkämen, wurde von Menke und Wolf nicht beantwortet, sondern argumentierend ausgehebelt. Interessanter wurde es, als die beiden Dozenten mit dem spaßig gemeinten Ausstellungstitel Ernst machten. Menke dachte das Zitat des Nietzsche-Buches dahingehend, dass die Ausstellung dem Betrachter als Experiment gegenübertrete, in dem dieser Erfahrungen mit sich selbst machen könne. Wolf bezeichnete erst die Aussage Nietzsches von der „Fröhlichen Wissenschaft“ als Schock, weil Wissenschaft nicht fröhlich sein könne, es meist noch nicht einmal die Wissenschaftler seien, um sich dann gänzlich gegen den unhaltbaren Gedanken auszusprechen: „Ich bin dagegen“. Er stimmte seinem Kollegen insofern zu, dass Kunstwerke soweit experimentell verstanden werden können, dass sie Prozesse anregen und zu nicht geplanten Ereignissen führen könnten. Menke hatte zuvor seinen Gedanken mit Adorno ausgesprochen: „In der Kunst geht es darum, Dinge zu machen, von denen wir nicht wissen, was sie sind“. Auffällig war, wie wenig über die ausgestellten Installationen Warren Neidichs und Thea Djordjadzes gesprochen wurde. Die Absage Wolfs, er sehe keine Wissenschaft im Ausgestellten, löste im Publikum, das sich bald an der Diskussion beteiligen durfte, eine fast zwangsläufige Reaktion aus: man sehe auch keine Kunst in den Arbeiten. Höflicher gestand der Potsdamer Professor ein, er habe Mühe zu verstehen, was das Ausgestellte mit den Wissenschaften zu tun habe. Der Berliner Dozent wurde deutlicher: er sehe keinen Zusammenhang beider Installationen zu den Wissenschaften, ob fröhlich oder nicht. Leider fassten die Moderatorinnen das locker gelenkte Gespräch nicht in einem Schlusswort zusammen. So erschien als Resümee der interessanten Diskussion die Bemerkung von Wolf: Vielleicht sei es mit der ausgestellten Kunst wie mit einem guten Witz, der erst am nächsten Tag einleuchtet. Vielleicht.

Götz J. Pfeiffer

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