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Kultur: Vielfalt statt Barock-Offerte Das Orgelsommer-Finale mit Alina Nikitina

Organisten sind auch nur Menschen. Wofür sie sich gestern noch bei der Zusammenstellung für ein Konzertprogramm begeistern konnten, ist ihnen heute nur noch eine müde belächelte Erinnerung wert.

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Organisten sind auch nur Menschen. Wofür sie sich gestern noch bei der Zusammenstellung für ein Konzertprogramm begeistern konnten, ist ihnen heute nur noch eine müde belächelte Erinnerung wert. So ging es auch der im russischen Omsk geborenen Alina Nikitina, die für ihren Orgelsommer-Auftritt am Mittwoch in der Erlöserkirche nicht nur die Abfolge der zuvor ausgewählten Stücke änderte, sondern auch Komponisten wie Felix Mendelssohn-Bartholdy und Louis Marchand gegen Louis Vierne und Sergej Prokofjew austauschte. Zusätzlich gab es sogar noch etwas von Olivier Messiaen.

So wurde aus einer fast puren Barock-Offerte nun ein abwechslungsreiches Hörangebot. Für das zwölfte und damit finale Orgelsommer-Konzert ein wirkungsvoller Abschluss. Zumal sich die am Staatlichen Konservatorium in Sankt Petersburg ausgebildete Künstlerin an der Schuke-Orgel mit ihrer strahlend-klaren Disposition hörbar wohlfühlte. Durch ihr lebendiges, virtuoses, zupackendes und tiefgründiges Spiel nebst einer sinnvollen Registrierung verstand sie es, das Publikum für sich einzunehmen.

Wirkungsvoll der Auftakt mit Dietrich Buxtehudes Toccata in F-Dur BuxWV 156, in der sie rauschendes Orgelwerk im steten Wechsel mit filigran dargebotenen Solopassagen aufleuchten ließ. Für Carl Philipp Emanuel Bachs D-Dur-Sonate Wq 70/Nr. 5 mischte sie eine an frühklassische Zerbrechlichkeit erinnernde Stimmenfarbigkeit. Den zwischen den verspielten Ecksätze eingeschlossenen, besinnlichen Mittelsatz ließ Alina Nikitina kantabel ausklingen. Aus dem uvre von Vater Johann Sebastian wählte sie Fantasie und Fuge in g-Moll BWV 542, die sie einheitlich mit durchdringenden Prinzipalstimmen registrierte und größtenteils im vollen Orgelwerk, gleichsam unter andauerndem Hochdruck spielte. Genüsslich kostete sie die sich durch viele Tonarten spiralförmig windende Modulation aus, sparte nicht mit Crescendowirkungen, die Bach durch eine notengesetzte Fünfstimmigkeit ermöglicht hatte. Fast atemlos marschierte sie festen Schrittes durch die Fuge.

Impressionistische Stimmungsbilder folgten: Zunächst die Bearbeitung von Prokofjews Klavierstück „Sinnestäuschung“ als ein flirrendes Vexierbild, gefolgt von „Irrlichtern“ aus der Sammlung von Fantasiestücken des Franzosen Louis Vierne. Dabei löste Alina Nikitinas Spiel ein, was die Titel versprachen – auch bei „Wie die christliche Seele emporsteigt zur Herrlichkeit Gottes“ aus der „Himmelfahrt“ (L'Ascension) von Olivier Messiaen. Extrem schärfte sie hier den Ton in Diskantlage, schuf inhaltliche Tiefgründigkeit und glanzvolles Strahlen – ein beifallsstark aufgenommenes Orgelsommer-Finale.

Er sei sehr zufrieden mit dem Orgelsommer, sagte dessen künstlerischer Leiter, der Friedenskirchenkantor Joachim Walter. „Die Konzerte waren durchweg gut besucht, wir hatten jeweils bis zu 150 Besucher, die als Tourist oder Fan den Weg zur Königin der Instrumente fanden.“ Das Programm sei ein bunter Querschnitt gewesen, vielfältige künstlerische Handschriften hätten zur positiven Bilanz beigetragen. Das 25-jährige Jubiläum im kommenden Jahr werde mit der renommierten Jazzorganistin Barbara Dennerlein starten. Ob der Stadtkämmerer zum Jubiläum und wegen der Exzellenz des Gebotenen freigiebiger in seine Schatulle greifen wird als in diesem Jahr? Peter Buske

Peter Buske

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