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Kultur: Vielstimmiges Wolfsgeheul

Freitag werden in der fabrik die intersonanzen eröffnet: mit Alex Nowitz“ Konzert der besonderen Art

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Man kann sich entspannt auf Kissen lümmeln, dem Musiker aus nächster Nähe auf die Finger schauen oder aber wie gewohnt den frontalen Blick auf das Geschehen einnehmen. Auf jeden Fall wird der traditionelle Rahmen eines Konzerts gesprengt: denn jeder Zuhörer darf sich nach eigenem Gutdünken im Raum positionieren. Auch musikalisch geht der Potsdamer Komponist und Sänger Alex Nowitz eigene Wege, denn er sucht die Verschränkung mit anderen Künsten. Somit dürfte sein Projekt „Wolfsgeheul“ die beste Einstimmung sein für ein Festival, das sich der Neuen Musik verschrieben hat – gerade weil Nowitz eben nicht mit den Wölfen heult.

Bei den am Freitag in der fabrik beginnenden „intersonanzen“ vereint er fünf eigenständige musikalische Miniaturen unter dem übergreifenden Titel „Wolfsgeheul“: eine stammt von Sabine Vogel, die anderen vier sind aus Nowitz“ Feder.

„Der Schlaftöter“ heißt eines seiner Stücke und wurde speziell für den Abend geschrieben. Das Libretto verfasste Ralph Hammerthaler, der mit Nowitz bereits 2006 für die „Bestmannoper“ zusammen arbeitete. Darin ging es um den Nazi Alois Brunner, der für die Deportation Tausender Juden in die Vernichtungslager verantwortlich war.

Der Monolog „Der Schlaftöter“ greift indes die extremste Form der Parasomnie (Schlafstörung) auf: Ein Mann tötet seine Frau im Schlaf. „In den zwar selten vorkommenden Fällen wurden die Männer, die diese Tat begannen haben, freigesprochen, weil sie völlig unbewusst handelten. Sie kehrten ihre untersten Schichten hervor und zeigten, wie nah der Mensch am Tier ist.“ Alex Nowitz interpretiert diesen Monolog mit seiner Stimme und auch als Klangtänzer. Dabei wird er mit kabellosen, auf Sensoren basierende Fernbedienungen elektronische Musik erzeugen. Durch seine Bewegungen kann er den Klang verändern: Lautstärke, Tonhöhe, Tonlänge ... Tänzerin Shannon Cooney schlüpft indes in die Figur der Frau, die durch den Kopf des Mannes spukt. Und die kanadische Videokünstlerin Jamie Griffiths greift die Bewegungen des Tanzes auf, um sie in ihre eigenen Bilder, die sie anhand des Textes entwickelte, in den Abend einfließen zu lassen. „Sie kommt erst jetzt zu den insgesamt zehntägigen Proben dazu. Mal sehen, was sie vorbereitet hat“, lässt sich Alex Nowitz überraschen. „Der Schlaftöter“ – in dem Stück ist er ein Komponist – werde der Höhepunkt des vielstimmigen „Wolfsgeheuls“ sein.

Eine weitere Facette bringt „Der Vergnügungsvogel“, bei dem nun die Musiker in allen vier Sätzen ihre Positionen immer wieder verändern und die Zuschauer umschließen. Diese gemeinsam mit dem Violinisten Peter Rainer von der Kammerakademie Potsdam erarbeitete und speziell ausgeleuchtete Aufführung greift die bekannte Melodie eines Walzers von Siegfried Translateur auf: Ein Komponist jüdischer Herkunft, der Opfer der Nazis wurde. „Das heitere Melodiefragment erhält durch das Wissen um das Schicksal des Komponisten einen grauenhaften Beigeschmack“, sagt Alex Nowitz.

Fast ausschließlich im Inneren eines Konzertflügels bewegt sich der gebürtige Bayer in dem Stück „confessio“, was so viel wie Bekenntnis heißt. Man werde erstaunt sein, was das mit Biergläsern „traktierte“ Instrument für Klänge produziere. Inhaltlich geht es um einen Menschen, der zersplittert ist zwischen seiner tiefen Sehnsucht nach Geborgenheit und Ordnung und dem herrschenden Chaos um ihn herum. „Diese Replik auf einen Text von Aurelius Augustinus schien mir wunderbar in die heutige Welt zu passen.“

Bereits vor neun Jahren schrieb der 39-Jährige sein Werk „contritio“ – Zerknirschung und Reue – das er unbedingt zusammen mit „confessio“ aufführen wollte. Es wird sich allerdings nicht im Inneren, sondern auf den Tasten des Klaviers entfalten. Inspiriert von Thomas Manns „Doktor Faustus“: Darin verkauft ein Komponist seine Seele an den Teufel, um sich uneingeschränkt der Kunst widmen zu können. Am Ende landet er in einer Nervenheilanstalt.

„Bei der Programmkonzipierung war es mir gar nicht so bewusst, dass es eigentlich in allen Stücken um die Selbstbespiegelung von Künstlerfiguren geht.“ So gibt es neben dem Klavier als instrumentale Klammer auch eine inhaltliche Querverbindung.

Es war die Idee von Alex Nowitz, diesmal mit den „intersonanzen“ auch in die fabrik zu gehen. „Die technischen Möglichkeiten und das künstlerische Know How sind wunderbar.“ Dass er verstärkt zweigleisig fährt – als Komponist sowie singender und pfeifender Performer – habe mit der schlechten Auftragssituation für Komponisten zu tun. „Wenn man das Talent hat, auszuweichen, ist das wunderbar. Andere hängen vielleicht in den Seilen.“

Auch Alex Nowitz muss also in Bewegung bleiben, was oft einen Raubbau am eigenen Körper bedeutet. Nicht von ungefähr richtet er wohl seinen Blick in die Tiefen von Künstlerseelen. Und hört dabei das „Wolfsgeheul“, das es auch in Brandenburg wieder gibt.Wobei der Titel für ihn mehr ein Augenzwinkern ist.

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