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Wohin damit? Irina Maslennikova und Kai Jakowski bei den letzten Vorbereitungen für unARTich im Kunstwerk.

©  Andreas Klaer

Von Dirk Becker: Vielversprechendes Chaos

Kunst mal anders: Am Samstag wird es im Kunstwerk „unARTich“

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Mit Angst hatte Irina Maslennikova am wenigsten gerechnet. Aber jetzt gibt es Momente, da überkommt sie kurz dieses ungute Gefühl, das ihr sagen will, die Sache sei mittlerweile etwas zu groß geworden. Doch sind das nur sehr kurze Momente, denn viel Zeit darüber nachzudenken hat Irina Maslennikova nicht.

In den kommenden Tagen geht es für die 23-Jährige darum, das selbst inszenierte Chaos mit Namen „unARTich“ in geordnete Bahnen zu lenken. Am Samstag soll es dem Publikum im Kunstwerk präsentiert werden. Ein wenig chaotisch darf es dabei ruhig bleiben. Und wer dann die Räume in der Hermann-Elflein-Straße betritt, der soll im ersten Moment auch etwas überrascht und überfordert sein. Wenn Irina Maslennikova etwas nicht will, dann die üblichen Erwartungshaltungen an eine Ausstellung bedienen.

Insgesamt 30 Künstler, vor allem aus Potsdam und zum kleinen Teil auch aus Berlin, haben zugesagt, am Samstag bei „unARTich“ dabei zu sein. „unARTich“, das ist eine Kunstausstellung und dann auch wieder nicht. Irina Maslennikova spricht lieber von einem Projekt, bei dem alles erlaubt ist und, so steht es auf dem kleinen Flyer, „welches sich zum Ziel gemacht hat Grenzen konventioneller Ausstellungen zu überschreiten“.

Es wird also viel Kunst zu sehen sein von jungen und nicht mehr so jungen Künstlern, die zum Teil zum ersten Mal überhaupt mit ihren Arbeiten an die Öffentlichkeit gehen. Sie wollen untereinander ins Gespräch kommen und auch mit den Besuchern, die, wenn sie wollen, manche der Bilder oder Fotografien auch kaufen können. Es sind keine horrenden Preise zu erwarten, denn „unARTich“ soll auch dem, der nicht so viel Geld in der Tasche hat, die Möglichkeit geben, Kunst kaufen zu können, vielleicht sogar anfangen zu sammeln.

Die Idee für „unARTich“ kam Irina Maslennikova im Sommer, als sie ein Freund nach Dresden zu einem „sell out“ einlud. „Los komm, wir fahren dahin und verkaufen unsere Bilder“, sagte er zu ihr. Anfangs war sie noch etwas ungläubig. Wer sollte sich schon für ihre Bilder interessieren? Es waren dann mehrere Besucher in Dresden, die sich dafür nicht nur interessierten, sondern sogar kauften. „60 Euro habe ich verdient“, sagt Irina Maslennikova. Das klingt fast schon lächerlich, wenn man dazu die üblichen Marktpreise für Kunst ins Verhältnis setzt. Doch für Irina Maslennikova war es mehr als sie erwartet hatte. Und so wie sie darüber spricht, wird deutlich, dass es weniger das Geld war, dass sie überraschte und bestärkte als die Tatsache, dass sie für ihre Bilder nicht nur Lob, sondern auch Geld bekam.

Ein Blick in den ersten von insgesamt drei Räumen, die für „unARTich“ mit Kunst ausgestattet werden, zeigt schnell, dass hier nicht einfach nur wohnzimmerfröhliche Laienkunst gezeigt wird. In den Bildern, Collagen und Fotografien ist viel von Entdeckungen und Experimenten, von Wildheit und Suche zu sehen. Junge Wilde, die sich selbst nicht zwingend als Künstler bezeichnen wollen, weil dieses Wort so etabliert und auch so furchtbar wichtig klingt. Sie spielen und lassen sich oft genug noch selbst vom Schaffensprozess überraschen. Die daraus resultierende Frische ist es, die „unARTich“ schon in der Vorbereitungsphase ein ganz eigenes und eigenwilliges Gesicht gibt.

Dazu zählen auch die ruhigen Momente in den Fotografien von Kai Jakowski. Der 23-Jährige hat sich mit der Kamera auf die Suche nach den Ecken in Potsdam gemacht, die noch keine Spuren von Sanierung oder anderen stadtplanerischen Verschönerungsattacken tragen. Es ist der Charme des Verfalls, dem Jakowski nachspürt. Als Irina Maslennikova ihm von „unARTich“ erzählte, war er sofort überzeugt von diesem Projekt. Ursprünglich sollte diese Verbindung von Kunst und Musik – am Samstag werden neben der Ausstellung Bands wie Quarterdivided, Sidewalk, Nikaya und Grandmas Finest auftreten – in einem besetzten Haus stattfinden. Ein Ort, an dem alles möglich ist. Doch davon mussten sich die Macher, die alles in Eigenregie und ohne finanzielle Unterstützung organisieren, schnell wieder verabschieden. Als sie im Kunstwerk vorstellig wurden, bekamen sie aber sofort die Zusage und auch Unterstützung. „Die Bilderrahmen für die Ausstellung haben wir als Leihgabe vom Haus bekommen“, sagt Irina Maslennikova.

Dass nun mittlerweile 30 Künstler für „unARTich“ zugesagt haben, hat Irina Maslennikova und Kai Jakowski überrascht und auch für ein wenig Angst gesorgt. Doch trotz dieser unerwarteten Ausmaße strotzen die beiden vor Enthusiasmus. Sie müssen improvisieren. „Falls die Räume für die Bilder nicht reichen, hängen wir ein paar in den Flur“, sagt Irina Maslennikova. Dieses leicht chaotische Grundprinzip durchzieht auch die Ausstellung. Es gibt keine Wände, an denen nur ein Künstler allein seine Bilder zeigt. Es ist ein buntes Treiben, ein liebevolles Durcheinander, das einen zwingt, sich Zeit zu nehmen und genauer hinzuschauen. Sich darauf einzulassen lohnt in jeder Hinsicht. Denn zu entdecken gibt es bei „unARTich“ mehr als genug.

„unARTich“ am Samstag, 19. Dezember, ab 16 Uhr im Kunstwerk, Hermann-Elflein-Straße 10. Der Eintritt ist frei

Dirk Becker

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