Kultur: Vier Frauen und die Vergangenheit Sabine Michel und ihr Film „Zonenmädchen“
Zone, Zone, und kein Ende! Auch 24 Jahre nach dem Fall der Mauer ist das Thema DDR alias Zone noch immer nicht erledigt, trotz allen Eifers eifernder Politiker, trotz aller Mühe, welche die letzten der Unangepassten, also Künstler, Schreiber, Filmemacher, diesem Thema seit 24 Jahren widmen.
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Zone, Zone, und kein Ende! Auch 24 Jahre nach dem Fall der Mauer ist das Thema DDR alias Zone noch immer nicht erledigt, trotz allen Eifers eifernder Politiker, trotz aller Mühe, welche die letzten der Unangepassten, also Künstler, Schreiber, Filmemacher, diesem Thema seit 24 Jahren widmen. Weil Sabine Michel, Dokumentarfilmerin und Grimme-Preisträgerin ohnehin einen Film über ihre vier Freundinnen, zwei Veras und zwei Claudias, drehen wollte, entstand der lang bebrütete Plan mit dem mild provozierenden Titel „Zonenmädchen“. Seit Donnerstag läuft er in den Programmkinos, am Wochenende war Sabine Michel zu Gast zum Filmgespräch im Thalia. Ihre „Zonenmädchen“ stammen alle aus mehr oder weniger situierten Elternhäusern in Dresden, hatten ihre Pläne im „Korsett aus Dankbarkeit und Abhängigkeit“, doch plötzlich kein Land mehr, sie adäquat zu verwirklichen. Das kann jedoch so schlimm nicht gewesen sein, denn sie eilten ohnehin kurz nach dem Mauerfall, ihr Glück westwärts zu suchen. Als sie zurückkehrten, war ihr Land irgendwie weg, so Michels These. „Wir waren plötzlich vogelfrei“, sagt die Regisseurin.
Natürlich war da nichts weg, sonst hätte die Treuhand ja nichts zum Verscherbeln gehabt. Eine jede ging ihrer Wege, zwei blieben in Frankreich, die anderen suchten ihr Glück im geeinigten Deutschland als Kneipenfrau, als Psychologin oder als Filmemacherin. Genau 20 Jahre später brechen die Mädels wieder auf, um im Zug nach und dann in Paris ihre Spuren von gestern wiederzufinden, mithin die etwas schräge Frage zu klären, wie viel DDR denn noch in ihnen stecke. Nicht schlimm, wenn in dem 75-minütigen Film über den Alltag ohne Stasi und Stacheldraht die große Politik kaum vorkam. Dies sei ja schließlich schon bekannt, so die Regisseurin beim Gespräch nach dem Film.
Es kam aber auch sonst herzlich wenig vor, beim Parlieren am Zugfenster, beim Frühstück in Paris oder dem Retour an die Stätten der Kindheit. Dafür Banalitäten, wie sie alte Freundinnen bei ihrer Reise in die Vergangenheit halt austauschen. Die Gegenwart jetzt wird dabei als normal gesetzt. Ein bisschen erfuhr man über den Proporz von Töchtern und Müttern, einmal gab es Entsetzen, weil der Großvater Nazi war, was die Mutter der Tochter verschwieg. Die Anwältin in Paris erzählt, sie hätte einen Großauftrag aus New York nie bekommen, wenn sie je ihre Herkunft verraten hätte.
Sympathisch ist der Film, weil er die alten Zeiten nicht denunziert, na ja, eher spart er sie aus. Trotzdem reichte das nicht für einen Porträtfilm, auch nicht für die Beantwortung der Frage, wie viel von dieser verflixten DDR sich immer noch im jetzigen versteckt. Wärme enthält „Zonenmädchen“, auch Sympathien, aber wenig Substanz, trotz Kindheitserinnerungen in Foto und Schmalfilm verfallener Neubauten. Wo sich die Damen wirklich mal tiefer zum Thema zu räuspern beginnen, wird diskret abgeblendet. Man tritt eben seiner Busenfreundin nicht auf den Zeh! Überhaupt enthält dieser Film mehr Geschichten als Geschichte, die aber hätte man ruhig stringenter erzählen können. Gerold Paul
„Zonenmädchen“ ist im Thalia Filmtheater in der Rudolf-Breitscheid-Straße 50 zu sehen
Gerold Paul
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