Kultur: Virtuose Bravour
Eröffnungskonzert mit Antonio Vivaldis „La tempesta di mare“ in der Friedenskirche
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Eröffnungskonzert mit Antonio Vivaldis „La tempesta di mare“ in der Friedenskirche Der Windgott Zephyros zeigt viele Gesichter. Rasch kann sich aus einem leichten Lüftchen eine steife Brise, gar ein Orkan entwickeln, der die Wasser des Meeres aufwühlt und als schwere See beispielsweise in Venedigs Lagune drückt. Antonio Vivaldi, berühmter Geiger, geschäftstüchtiger Impressario, Hauskomponist am Ospedale della Pieta und Erfinder des Instrumentalkonzertes, wird solche Naturgewalten oft beobachtet haben, ehe er sie als effektvolles Stück „La tempesta di mare“ (Seesturm) niederschreibt. Doch auch dieses tonmalerische Naturszenarium kommt in mancherlei Formgestalt daher, ist als Streicherstück genauso bekannt wie als Flötenkonzert F-Dur RV 433. Letzteres gibt dem Eröffnungskonzert der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci seinen furiosem Auftakt. Die Friedenskirche ist bis auf den letzten Platz besetzt, als Ministerpräsident Matthias Platzeck in seinem Resümee auf nunmehr 50 Jahre Festspiele in Potsdam an die Anfänge und Höhepunkte erinnert. Das diesjährige Motto „Gärten voller Klang – Schlösser, von Musik erfüllt“ würde sich mit den Ambitionen des Kulturlandes Brandenburg e.V. vortrefflich ergänzen und spräche wohl jeden an, so der Landesvater: „Bei Spaziergängen durch diese Kleinodien kommen einem unwillkürlich Melodien in den Sinn.“ Er und das festlich gestimmte Auditorium können sich an Instrumentalkonzerten von Antonio Vivaldi (1678-1741) reichlich erfreuen, die als „Concerti della natura“ reizvolle Beschreibungen der Natur in ihren mannigfaltigen Facetten liefern. Größtenteils sind sie für Flöte geschrieben. Furios stürzt sich Blockflötistin Dorothee Oberlinger in das Abenteuer, mit virtuoser Bravour diese Klanggärten zu durchforschen. Sicher unterstützt wird sie dabei von „Sonatori de la Gioiosa Marca“, einem in Barockgefilden sehr versierten Spezialensemble aus Treviso. Seine Mitglieder haben bei den angesehensten Interpreten alter Musik eine fundierte Ausbildung genossen. Ihr akzentbetontes, jedoch nie übertrieben wirkendes Musizieren begeistert von Anfang an – auch wenn die Continuogruppe sehr oft in den Vordergrund drängt und sich dadurch die Klangbalance zu den anderen Instrumenten ein wenig verschiebt. Schnell, aber nicht überspitzt braust „La tempesta di mare“ vorüber, putzt einem die Ohren blank. Die fabelhafte Spieltechnik der Solistin dient dabei nicht dem Selbstzweck, sondern stellt sich allein der Musik zur Verfügung. Vieles von dieser quicklebendigen bis turbulenten Tonmalerei findet sich auch im beseelt geflöteten „La notte“-Konzert g-Moll RV 104. Zunächst wird die Seele von Morpheus Armen umschlungen, dann spuken wirre Traumgestalten vorüber; langsam geht „il sonno“ auf, vertreibt die Schatten der Nacht. Neben Besinnlichkeit ist viel Freude und flinke Beweglichkeit angesagt. Davon profitiert auch „La pastorella“ als kapriziöses und putzmunteres Plappermäulchen vom Lande. Schmachtend kokettiert die (blockflötende) Schäferin im Largo um die Gunst eines Galans. Ähnlich hält es auch der Distelfink in seiner konzertanten, D-Dur-geprägten und als RV 428 einsortierten Wortmeldung („Il Cardellino“), die Stefano Bret auf dem Nachbau einer barocken Traversflöte sachkundig übermittelt. Anmutige Trillerketten, sanftes Locken (mit hübschen Echowirkungen) schaffen pastorale Stimmung pur. Idealisiertes bis handfestes Landleben führt sich in den tanzgesättigten Genreszenen „Il conca“ und „Alla rustica“ vor, in denen die Block- mit der Traversflöte selbstbewusst duettiert. Ab und an tritt das Fagott (Sergio Azzolini) im Continuo mit in Erscheinung. Im technisch höchst anspruchsvollen Concerto d-Moll KV 481 darf es dann solistisch brillieren. Einleitend gibt es erneut – presto, presto – eine „Tempesta“-Erinnerung. Zum straff artikulierten Ensembleklang turnt der Solist waghalsige Kapriolen und weite Intervallsprünge, vollführt er Läufe und Triller auf dem artistischen Hochseil, als sei es die natürlichste Sache von der Welt. Atemberaubend. Ihm und allen anderen Mitwirkenden brandet der Beifall wahrlich in „Tempesta“-Dimension entgegen.
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