
© Andreas Klaer
Von Klaus Büstrin: Virtuosität ohne Eitelkeit
Konzertreihe „Bach in Sanssouci“ 2011 mit Violinkonzerten im Schlosstheater eröffnet
Stand:
Die Bach‘schen Violinkonzerte unterscheiden sich grundsätzlich vom Virtuosenkonzert des 19. Jahrhunderts, das ja viel subjektiver, sentimentaler, effektvoller gespielt werden darf. Bei Bach heißen die wichtigsten Tugenden: absolute Genauigkeit, logische Phrasierung, intensive Zusammenarbeit mit dem Orchester. All das bringen die Hamburger Geigerin Annegret Siedel und ihr Potsdamer Kollege Wolfgang Hasleder mit. Zudem gehören sie zu den wichtigen Interpreten von Barockmusik, die in der historischen Aufführungspraxis zu Hause sind.
Gemeinsam mit Exxential Bach, einem Potsdamer Ensemble, musizierten sie am Samstagabend im Schlosstheater im Neuen Palais die drei Violinkonzerte von Johann Sebastian Bach, Werke, die zum Kostbarsten gehören, was für Violinisten geschrieben wurde. Björn O. Wiede, Cembalist und rühriger Leiter von Exxential Bach, wählte den Konzerttermin aus Anlass des Geburtstags des Meisters am 21. März. In diesem Jahr fünf Tage danach.
„Bach in Sanssouci“ nennt Wiede die Reihe, die von der Brandenburgischen Bach-Gesellschaft e.V. verantwortet wird. Dreizehn weitere Konzerte im Schlosstheater sowie in der Friedenskirche sollen bis Ende des Jahres folgen. Der Verein erinnert aber auch an ein historisches Ereignis, das in Potsdam stattfand: 1747 besuchte Bach seinen Sohn Carl Philipp Emanuel, der Hofcembalist war. Während des privaten Empfangs wurde er von Friedrich dem Großen gebeten, auf dem Silbermann-Cembalo zu spielen. Aus der Begegnung mit dem König erwuchs für Bach ein kompositorisches Ergebnis: Das Musikalische Opfer. Björn O. Wiede weiß um die große und sorgsame Pflege, der man in Potsdam in Sachen Bach vor allem seit Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute in Kirchen und Konzertsälen angedeihen lässt. Neue und anregende Akzente möchte auch er mit seinen zahlreichen Bach-Konzerten der reichen Tradition hinzufügen.
Im Neuen Palais eröffneten die sechs Musiker von Exxential Bach gemeinsam mit dem Geiger Wolfgang Hasleder den Abend mit dem Violinkonzert in a-Moll BWV 1041. Schon hierbei wählten die Musiker in den Ecksätzen ein straffes Tempo, das dem Ganzen eine wunderbare Elastizität verlieh. Hasleder hatte mit den weit ausholenden, sich hinauf- und hinunter schwingenden Linien mit all ihren Trillern, Triolen und Akzentverschiebungen keinerlei Mühe. Der zweite Satz, ein Adagio, strahlte meditative Ruhe aus.
Dem großen Zuhörerkreis sind jedoch das Violinkonzert in E-Dur BWV 1041 und das Doppelkonzert d-Moll BWV 1043 bekannter. Die erklingen nämlich des Öfteren in Konzertsälen und haben in Wunschkonzerten eine Vielzahl von Anhängern. Annegret Siedel war Solistin des berühmten E-Dur-Konzerts. Sie musizierte mit feiner Natürlichkeit und Souveränität, zeigte natürlich auch Virtuosität, doch keine technischen Eitelkeiten. Mit den anderen Musikern war es stets ein Geben und Nehmen, so dass diese in keinem Moment zu Lakaien degradiert wurden. Besonders im getragenen Mittelsatz schien Annegret Siedel ganz bei sich anzukommen. Er war von besonders tiefer Innigkeit und Beseeltheit geprägt. Mit Hasleder spielte sie dann gemeinsam das Doppelkonzert in d-Moll BWV 1043. Detailliert, lebendig und mit dringender Intensität wussten sie das Werk zu gestalten. Exxential Bach blieb hinter den beiden Solisten in keinem Augenblick zurück. Auch sie musizierten mit jener ansteckenden Freude, die von Annegret Siedel und Wolfgang Hasleder ausging. Der Beifall des leider nur im Parkett besetzten Schlosstheaters war einhellig zustimmend.
Das Konzert im Schlosstheater hatte noch ein weiteres Ereignis parat. Björn O. Wiede weihte eine Cembalo-Kopie ein, die die Bamberger Firma Neupert nach dem Original des Pariser Cembalobauers Jean-Henri Hemsch von 1754 anfertigte. Auftraggeber war die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Das Instrument besitze in den Bässen eine gerundete Klangfülle, warme Mittelstimmen und eine sehr klare Höhenlage, wusste der einstige Besitzer des Originals, Claude Mercier-Ythier, über das Cembalo zu sagen. Und die Gäste von „Bach in Sanssouci“ konnten sich davon überzeugen. Das Instrument kam bestens zur Geltung. Björn O. Wiede spielte neben dem Continuo-Part in den Violinkonzerten das Concerto für Cembalo und Streicher F-Dur des Bach-Sohns Carl Philipp Emanuel. Mit Exxential Bach fand der Solist den richtigen, vielleicht noch nicht zündenden Ton, der zwischen Bachs respektvollem Traditionsbezug und dem Aufbruch zum Sturm und Drang angesiedelt ist.
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