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Kultur: Voll Melancholie

Das A-capella-Ensemble Amarcord im Raffaelsaal

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Dass die Entfernung von mittelalterlichen Mönchsgesängen bis zu den Liedern der Comedian Harmonists gar nicht so weit ist, beweist das A-capella-Ensemble Amarcord seit vielen Jahren. Die Leipziger Sänger – gern als deutsche Antwort auf das Hilliard Ensemble und die King“s Singers genannt – begeistern inzwischen weltweit mit nuanciertem, fein abgestuften Gesang, so auch bei ihrer Zwischenstation am Freitag im Raffaelsaal von Schloss Sanssouci.

Im Grunde ist egal, was die stets einheitlich in dunklem Anzug, weißem Hemd und dunkelorangefarbener Krawatte auftretenden sechs Herren zu Gehör bringen. Mit ihrer hochkultivierten Vielstimmigkeit, deren Basis beim Thomaner-Chor gelegt wurde, könnten sie jedes Liedchen brillant veredeln. Aber glücklicherweise besitzen die Sänger außer schöner Stimmen und stupender Technik auch Stil und Geschmack. Seit ihrer Gründung vor 15 Jahren fällt das sympathische Sextett mit interessanten Programmen zwischen Mittelalter, Renaissance und Moderne auf.

Kirchliches und Weltliches, Ernstes und Elegisches aus der englischen Renaissance prägten das Konzert. Beim delikat abgestuften, weich gerundeten Gesang des Sextetts konnte man eine Stecknadel auf den Boden fallen hören. Wie von selbst übertrug sich die intensive Konzentration der Sänger auf die mucksmäuschenstill lauschenden Zuhörer.

Auf Wunsch des Ensembles lockerte im ersten Teil kein Beifall die andächtige Stimmung auf. Sehr expressiv wirkten die „Lamentations of Jeremiah“ von Thomas Tallis, dem „Vater der englischen Kirchenmusik“. Ausgiebig psalmodierende Passagen auf die Buchstaben des hebräischen Alphabets wechseln mit syllabisch gesungenen lateinischen Texten ab. Zwischen die überwältigenden Klagelieder hatte Amarcord Vokalsätze aus spätmittelalterlichen Werken eingeschoben, ein diskutabler Kunstgriff zugunsten der Erweiterung des vokalen Spektrums um weitere musikalische Ausdruckssphären.

Auch der zweite Teil mit englischen Madrigalen stand im Zeichen der Melancholie, abgesehen von Ausnahmen wie der beschwingten Königsballade des komponierenden Königs Heinrich VIII. Mit schmerzlichen, herzbewegenden Madrigalen von John Dowland und John Bennet stellte Amarcord seine reichen Klangfacetten von samtigdunklen Tiefen bis zu schimmernden Höhen in deklamatorisch feingewebter Vielstimmigkeit unter Beweis. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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