Kultur: Voll tanzbarem Gewummer
Frittenbude aus Bayern im Lindenpark
Stand:
Mittelfinger in die Höhe. „Bass, Bass, Bass.“ Ein dunkelhaariger Junge mit selbstgebastelter Pandamaske springt im Takt. „Hass, Hass, Hass.“ Die vor Bratfett triefenden, elektronischen Beats des Synthesizers durchdringen die pulsierende Tanzfläche. Schuld daran ist das bayrische Trio von „Frittenbude“, das am Donnerstag das Lindenparkpublikum zum „Raven gegen Deutschland“ aufrief. Leadsänger Johannes Rögner wischt sich mit seinem weißen Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht. Mit emotionslosem Gesicht lässt er seinen Arm im Takt schwunghaft auf und ab beben, mit der anderen Hand klammert er sich an seinem Mikrofon fest. „Fürs Nazi- und Rassistenpack gibts – Hass, Hass, Hass“, heißt die Botschaft, die die drei kleinen Schweinchen, wie sie sich selbst bezeichnen, ihrem Publikum an diesem Abend mitgebracht haben.
Clubtaugliche Partysongs zum Ausrasten, verfeinert mit politischen Anspielungen – wie Pommes Frites mit Ketchup, das ist Frittenbude. Das diskofreudig-junge Publikum kann fast jeden der Texte des 2010 erschienenen Albums „Bilder mit Katzen“ mitrappen. Auch die jungen Mädchen in knappen Höschen und Netzoberteilen, die schwarze Spitzen-BHs offenbaren, beschränken sich nicht aufs Kopfwippen. Schwarze Mähnen werden lasziv geschwungen, währenddessen sich die Nichtfremdschweißmeider beim Pogen völlig verausgaben. Denn schon zu Beginn des Konzerts hatte die Berliner Vorband „The Toten Crackhuren im Kofferraum“ in ihren kurzen, goldenen Kleidern für Stimmung gesorgt. Auffällig geschminkte Gesichter und einheitliche Bewegungen erinnern an Choreografien amerikanischer Cheerleader. Zusammen mit provokanten sowie obszönen Texten wie „Jetzt sitzt ich hier auf meinem Stein und will die letzte Hure sein“ und Konfetti lenken diese von dem eher mittelmäßigen Gesang der brünetten Frontsängerin ab. Wenn eine Horde glitzernder Mädchen die Hüpften schwingt und singt „Wir wollen süße Boys“, hat das zwar hohen Unterhaltungswert und sorgt für schmunzelnde Gesichter, aber viel Stil hat es nicht.
Die Jungs von Frittenbude würden den Auftritt vielleicht als Kunst bezeichnen. Wenn nicht heute, dann „Mindestens in 1000 Jahren“. So lautet auch der Titel einer älteren Single der drei Bayern, die impulsiv von Freiheit und Frieden erzählt. Als das Publikum während der Zugabe die Bühne stürmt, ist der Höhepunkt des Abends nach anderthalb Stunden tanzbarem Gewummer erreicht. Schon zuvor hatten die Toten Crackhuren bekanntgegeben, dass der Begriff Party nicht mit dem Onlinestatus der Freunde bei Facebook gleichzusetzen sei. Da entspricht wohl Stagediving und eine Wall of Death eher der Interpretation der Berlinerinnen.
Vielleicht hat der tanzfreudige Pandajunge, der nun zufrieden an der Garderobe ansteht, dabei seine Maske verloren. Stören tut es ihn nicht, als er sich auf den Heimweg macht. Wahrscheinlich hofft er, dass die Frittenbude am Bahnhof noch offen hat. Friederike Haiser
Friederike Haiser
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