Kultur: Vom Bürgerengagement „Bachtage Potsdam“ Zum vierten Mal Musikfest: 17 Veranstaltungen
Es gibt im Bereich der Musik nur wenige Komponisten, die - um mit dem 1. Samuel-Buch des Alten Testaments zu schreiben - „um eines Hauptes größer sind denn alles Volks“.
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Es gibt im Bereich der Musik nur wenige Komponisten, die - um mit dem 1. Samuel-Buch des Alten Testaments zu schreiben - „um eines Hauptes größer sind denn alles Volks“. Dazu gehört Johann Sebastian Bach. Zu Lebzeiten des Meisters erkannte man dessen großes Talent wohl kaum, und ihm selbst wird nicht bewusst geworden sein, dass er zu den größten Genies der Menschheit zählte. „Dass je seine Werke zum musikalischen Evangelium der Nachwelt werden und von dieser Takt für Takt studiert würden, hat er gewiss niemals geahnt“, schrieb der Musikwissenschaftler Klaus Häfner. Björn O. Wiede, Kantor an der Nikolaikirche, ist mit Johann Sebastian Bachs Musik aufgewachsen, vor allem mit den Motetten, Kantaten und Oratorien. Als Mitglied des Dresdner Kreuzchores hat er schon als Kind die musikalische Welt des Leipziger Thomaskantors kennen gelernt. Vor 38 Jahren sang er erstmals die „Matthäus-Passion“ - ein Werk, das sich weder an Tiefe noch an bewegender Kraft mit einem anderen vergleichen lässt. Nun wird der Nikolaikantor den Passionsbericht des Evangelisten Matthäus mit den meditierenden Arien und den Chorälen, die Bach als Antwort auf das Geschehen schrieb, dirigieren: innerhalb der Bachtage Potsdam, die vom 11. bis 19. September bereits zum vierten Mal stattfinden. Als Aufführungsort für die Passion hat der veranstaltende Verein Musik an St. Nikolai Potsdam e.V. die Babelsberger Friedrichskirche erwählt – 275 Jahre nach der vermeintlichen Uraufführung in Leipzig und 175 Jahre nach der Wiederaufführung durch Mendelssohn Bartholdy in Berlin. Björn O. Wiede möchte, wie er während der Begegnung mit Pressevertretern und Förderern der Bachtage sagte, mit der „Interpretation des Musikdramas im Gegenüber zur größten zivilen Katastrophe der westlichen Welt der Gegenwart am 11. September 2001 Fragen nach Wahrheit und christlichem Selbstverständnis stellen. Passion und Opfertod, Ehrfurcht vor dem Leben und religiöser Wahn werden klingend durchdacht.“ Die Transparenz und Dramatik in der Aufführung erfahre eine Steigerung durch die Besetzung mit zwei mal vier Concertisten-Sängern und historischen Musikinstrumenten, die einfach besetzt sind, so der Künstlerische Leiter des Bach-Festes. Die Choräle werden vom Nikolaichor gesungen. 17 Veranstaltungen und Meisterkurse (6.-10.9.) mit der Sopranistin Christine Wolff sowie dem Cellisten und Gambisten Siegfried Pank werden bei diesem Musikereignis angeboten. Zwei Orgelkonzerte mit dem Polen Roman Perucki und dem Italiener Giorgio Parolini, Kammerkonzerte mit dem Pariser Ensemble Amarillis (Oboe, Cembalo und Violoncello), dem Amsterdamer Cembalisten Bob van Asperen, dem Mariambaphonspieler Alex Jacobowitz sowie dem Jazz-Trio Johannes Schenk stehen auf dem Programm, ebenso ein Kantatengottesdienst und die „Klang(t)räume“. Ein Orchesterkonzert ist als Benefizveranstaltung für die Restaurierung der Neptungruppe des Lustgartens vorgesehen. Die Bachtage werden auch 2004 an mehreren Orten der Stadt zu erleben sein, vornehmlich in sakralen Räumen wie in St. Nikolai, in der Friedenskirche, Erlöserkirche oder in St. Peter und Paul. Als gelungen sieht Wiede die Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer an. In deren Räumen in der Breiten Straße wird erneut in diesem Jahr zu einem Konzert eingeladen. Die Bachtage Potsdam, deren Veranstaltungen fast ohne Förderung des Landes und der Kommune auskamen und auskommen müssen (außer Matthäus-Passion mit 9200 Euro), sind auf privates Sponsoring angewiesen. So ist Björn O. Wiede dankbar, dass auch Rolls-Royce sich in das Musikfest einklinkt. Aber es ist für ihn und für die Förderer unverständlich, dass dieses Bürgerengagement, von dem die Bachtage nun einmal ausgehenund die bisher alle eine großartige Resonanz hatten, weitgehend von der Politik im Stich gelassen werden. „Es ist die Aufgabe der Politiker, Erfolgreiches zu unterstützen. Die Stadt sollte endlich effizienter mit ihren Ressourcen umgehen“, so Björn O. Wiede. Denn auch nur so könne man die Unterstützung der Potsdamer auf dem Weg zur Kulturhauptstadt 2010 erlangen.Klaus Büstrin Info-Line: 0700 /16851750
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