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Na, erkannt? Dieser zeitlos-moderne Bau steht auf dem Gelände der Schiffbauergasse – als Parkhaus.

© Andreas Levers

Ausstellung in Potsdam: Vom Kitsch befreit

Wer Potsdam kennt, erkennt es auch in seinen Bildern. Andreas Levers reißt mit seinen Fotografien Bauten aus ihrem Kontext.

Stand:

Wer in Andreas Levers Bilder blickt, stößt an Grenzen. An Mauern aus Beton meistens. Der aber ist bei ihm nicht öde und grau, er schimmert, hat Striemen. Die Spuren von Korrosion und Wetter erzählen Geschichten ohne Raum und Zeit. Der Blick des Betrachters wird bei Levers oft versperrt vom Motiv – eingesperrt aber wird er nie. Das liegt auch daran, dass seine Brückenpfeiler, Mauern und Wände zu schweben scheinen wie frisch gewaschene Wesen aus einer anderen Welt. Das muss man erst einmal hinbekommen, wenn man fast nur Beton und manchmal ein bisschen Stahl und Glas fotografiert. Ornamente, Kitsch, neu Gebautes und auf alt Gemachtes, das interessiert ihn alles nicht. „Modern World“ heißt deshalb seine erste Ausstellung, die derzeit im Treffpunkt Freizeit zu sehen ist

„Ich mag es, wenn die Bilder leicht überbelichtet sind, sie werden dann ein wenig zur Projektionsfläche“, sagt der 34-jährige Mediengestalter. Damit seine Motive diesen speziellen, scharfen, aber zugleich leicht flauen Look bekommen, steht Levers oft früh auf. „Leicht bewölkt, aber nicht diesig muss es sein, strahlend blaues Kaiserwetter ist nichts für mich.“

Dann zieht er los zu den Orten der Stadt, die nicht von Architekten gestaltet sind, sondern eher von Ingenieuren. Zu Bauten, die einfach funktionieren müssen – Müllcontainer, Parkhäuser, Plattenbauten oder Treppen –, die aber unseren Alltag viel stärker prägen als etwa ein Stadtschloss. Oder es zieht ihn zu diesem weißen Betonmischsilo im Potsdamer Industriegebiet, dorthin, wo der Stoff entsteht, aus dem seine Bilder sind. Was dann noch an Kitsch und Ablenkung da ist, lässt er später am Rechner verschwinden. Dafür treten Strukturen und geometrische Formen in den Vordergrund, etwa die zick-zack-förmige Dachlinie einer fensterlosen Campusbaracke in Golm. Oft muss er gar nicht so weit gehen, um seine Motive zu finden: Er wohnt direkt am Volkspark in Bornstedt. „Die puristische Mischung aus Landschaft und Architektur, die dort herrscht, ist großartig“, sagt er und deutet auf den einsamen Baum vor einem nackten Mäuerchen aus, nun ja, Beton. Ein bisschen verdörrter Rasen, ein blassblauer Himmel, das war’s. Mehr braucht Levers nicht, um den Betrachter eine ganze Weile in diese helle Leere starren zu lassen. Menschen entdeckt man nur sehr selten darin, und wenn doch, sind es verschwommene Gestalten wie der Jogger, der im eisigen Frühnebel durch den Volkspark rennt.

Mehr als die Menschen interessieren Levers aber die Orte zwischen den Orten, das, was auf dem Weg von Sanssouci zur Biosphäre auf dem Weg liegt also. In der Schiffbauergasse sind es deshalb weder Hans Otto Theater noch Waschhaus, die er fotografiert, sondern die Baulücke zwischen dem Oracle-Gebäude und dem HOT. Ein bisschen bedauert er, dass er das Areal nicht mehr vor seiner Sanierung erlebt hat – Levers kam erst 2005, nach seiner Ausbildung, nach Potsdam. „Es ist schade, dass einige Dinge, insbesondere die ostdeutsche Architektur, jetzt so diskussionslos verschwinden“, sagt er.

Anprangern oder bewerten will er mit seinen Bildern aber nichts. „Ich fühle keine Chronistenpflicht, ich beobachte einfach.“ Dem Betrachter etwas vorgeben, das ist nichts für ihn. Für die Ausstellung im Treffpunkt Freizeit hat er deshalb durchgesetzt, dass auf jede Betitelung verzichtet wird. In seinem Foto-Blog (Andreas-Levers.de) haben die Fotos durchaus Titel, „Kerkerhaft“ etwa heißt das Bild aus dem ehemaligen Zellengefängnis in Berlin Moabit. Wieder so ein Bild, das den Blick versperrt , ohne einzuengen: Ein kleiner Spalt im Beton und ein Stück blauer Himmel sind der Fluchtweg für das Auge. Dass es sich um einen früheren Knast handelt, will Levers den Betrachtern nicht aufdrängen, auch die anderen Bilder lässt er lieber ohne Hinweise, wie sie denn zu interpretieren sein könnten. Sie stehen – oder besser: hängen – für sich.

Immerhin hängen sie jetzt überhaupt hier. Als die Fotogalerie Potsdam Levers einlud, seine Bilder zum ersten Mal überhaupt auszustellen, lehnte der erst einmal ab. „Die Ausstellungen, die sonst hier laufen, hatten mich eingeschüchtert“, sagt er.

„Modern Times“ ist im Treffpunkt Freizeit noch bis zum 6. Dezember zu sehen.

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