Kultur: Vom Leiden und der Leidenschaft Leo van Doeselaar in der Erlöserkirche
Passion sei nicht nur Synonym für Christi Leidensgeschichte von seiner Gefangennahme bis zur Kreuzigung, sondern bedeute im Englischen auch „Leidenschaft, heftiger Gefühlsausbruch“. Solches ließ uns der in Potsdam nicht unbekannte niederländische Organist Leo van Doeselaar vor seinem Konzert in der Erlöserkirche wissen, das er unter das Motto „Passion für Orgel“ gestellt hatte.
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Passion sei nicht nur Synonym für Christi Leidensgeschichte von seiner Gefangennahme bis zur Kreuzigung, sondern bedeute im Englischen auch „Leidenschaft, heftiger Gefühlsausbruch“. Solches ließ uns der in Potsdam nicht unbekannte niederländische Organist Leo van Doeselaar vor seinem Konzert in der Erlöserkirche wissen, das er unter das Motto „Passion für Orgel“ gestellt hatte. Und so erfüllten den überschaubar besetzten Kirchenraum bei diesem 3. Orgelkonzert innerhalb der neuen Kirchenkonzertreihe nicht nur getragene, schmerzliche, tröstliche Klänge, sondern auch leidenschaftliche, tänzerisch beschwingte.
Ein spannungsreicher Bogen also, der sich vom barocken Johann Sebastian Bach (1685-1750) bis zum Modernen Guy Bovet (geb. 1942) spannte und mannigfaltige Gefühlsregungen auszulösen verstand. Dazu der prächtig ausgeleuchtete Prospekt der Schuke-Orgel: da konnten die Sinne genießen.
Seine thematisch konzipierte Abfolge begann der Titularorganist an St. Pieterskerk in Leiden und Professor für künstlerisches Orgelspiel an der Universität der Künste Berlin mit der Bachschen Fantasia con Fuga c-Moll BWV 537. Deren Tonart assoziiere nach Matthesonscher Deutung Liebe, Tod, Schlaf. Zu Beginn des von abgeklärter Ruhe durchzogenen Stücks wird für ausdrucksvolle Ergriffenheit gesorgt. Später zeigt sich die Oberstimme verzierungsreich, wie mit Seufzern belebt. Des Organisten strukturklares Spiel ist dabei von großer Ernsthaftigkeit geprägt und von Glaubensfestigkeit durchdrungen.
Der Orgelchoral „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ BWV 622 wurde von Doeselaar schlicht und erhaben, in fast romantischer Gefühlsintensität gespielt. Nicht weniger nachsinnend und eindringlich hört sich auch die Vertonung des gleichen Psalmtextes von Ernst Pepping (1901-1981) an, wobei die Melodie ohne Verzierungen auskommen muss. Mit der Bearbeitung von Felix Mendelssohn Bartholdys „Variations Sérieuses“ op. 47 für Orgel beginnt sich allmählich ein virtuoses Element im Programm auszubreiten. Seufzende Synkopen und Vorhalte erzeugen dem Thema einen ernsten Charakter, von dem alle Verwandlungen durchzogen sind, auch wenn sie sich erregt, unruhevoll, leidenschaftlich oder aufbrausend vorzeigen.
Mit greller Diskantstimme, gleichsam im Messiaenschen Stil führt sich die dissonanzen- und schwebungsreiche Partita „O Grote Christus, Eeuwig Licht“ von Jan Welmers (geb. 1937) klangprächtig und voller herber Schönheit vor. Effektvoll, mitunter sogar lustig und von spanischer Orgelmusik inspiriert erscheint das Stück „Salamanca“ (1986) von Guy Bovet, das mit Trommel- und Piccoloflöteneffekten nach Landsknechtsart nicht spart, über zahlreiche knarzige und skurrile Einfälle verfügt, ehe es in brillanter Toccatenintensität endet. Höchst klangapart, geradezu sinnlich aufreizend hören sich „Deux Danses a Agni Yavishta“ von Jehan Alain (1911-1940) an, die einer altindischen Gottheit huldigen.
Die zupackend gespielte, durch raffinierte Register- und Rhythmusvariationen schier überschäumende „Tanz-Toccata“ des Österreichers Anton Heiller (1923-1979) setzt der beifallsfreudig aufgenommenen Orgelpassion ihren effektvollen Schlusspunkt.Peter Buske
Peter Buske
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