Kultur: Vom Licht in die Finsternis?
Jan Fleischhauer wird aus Versehen konservativ
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Diese Republik ist „links“! Jedenfalls viel linker, als bisher gedacht, so der Autor Jan Fleischhauer. Die CDU-Kanzlerin Angela Merkel gibt eine passable Sozialdemokratin ab, Schulen und Unis sind genauso „links“ unterwandert wie führende Zeitungen von Spiegel bis Welt. Solch totaler Übermacht können die Konservativen nur das verdrießliche Gesicht eines Roland Koch entgegensetzen. Aber immer nur Minderheit, da hört der Spaß einfach auf! Als politischer Redakteur beim Spiegel kennt sich Jan Fleischhauer da nämlich aus, denn schließlich ist er „unter Linken“ großgeworden. Seinen ersten „Konservativen“ habe er erst mit 23 Jahren getroffen, verriet er am Dienstag im gut gefüllten Lichthof der einstigen Truman-Villa, jetzt Sitz der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Sie übernahm es, seinen literarischen Erstling in Kooperation mit der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam wie eine Buchpremiere anzubieten, schließlich liegt zwischen der ersten und der mittlerweile 5. Auflage ja nicht mal ein Jahr.
Wie der Titel des Buches verrät, handelt es von einem, der wie aus Versehen konservativ wurde. Jan Fleischhauer erzählte viel und las ein wenig aus „Unter Linken. Von einem, der aus Versehen konservativ wurde“. Das Publikum lauschte und fragte ihn vom Dritten Reich bis zur jüngsten Bundestagswahl, als ob er Weisheit mit Schöpfkellen austeilen könnte. Er bemühte sich um gute Antworten, immer Bereitschaft signalisierend, den vorgegebenen Gesellschaftsrahmen mit seinem verwaschenen Grundraster „Links-Rechts“, alias „Links-oder-konservativ“ nie anzutasten.
Denn Fleischhauer begriff früh, „dass in der Politik zwei ewige Mächte miteinander ringen, die Macht des Lichts und die der Finsternis“. Sein Auftritt erhellte freilich nicht, welche Seite zum Licht und welche zu Finsternis zu zählen ist. Im Gegenteil, je konservativer er sich gab, um so linker wirkte er – und grenzte sich von ihnen ab, wie es nicht wenige mittlerweile selbst gern tun. Sie tragen bevorzugt feinste Stöffchen, machen anderen Vorschriften, beherrschen etliche Tricks, mit denen sich diese Undefinierten an die Macht pirschen wollen. Tausendmal betonen sie ihren selbstlosen Einsatz für die Opfer der Gesellschaft, für die Rettung der Welt in letzter Sekunde, sie versprechen, alle reich zu machen, nur nicht die Reichen. Innen drin aber wohnen Selbstgefälligkeit, Zank- und Streitsucht, Zerstrittenheit, dazu ein eklatanter Mangel an Humor, was der Autor kürzlich von den Vorzeige-Linken Staeck, Kroetz und Hildebrandt selbst bestätigt bekam. Im gleichen Atemzug nannten sie den Konvertiten Fleischhauer verschnupft einen Linkenhasser.
Von solchen und anderen Eigenheiten handelt sein Buch: Die Linken, der Sozialstaat, ihre Gegner und so weiter. Letztlich meint Fleischhauer aber nur eines: Die Linken und ich, also er. Listigerweise nennt Fleischhauer dann konservativ, was das Alter einem 1962 Geborenen auf leisen Sohlen sowieso bringt: Ruhebedürfnis statt Rebellion, Abstand, Lebensbilanz, vielleicht auch Rache. Dass er sich dafür nun seine linken Jugendbegleiter ausgesucht hat, könnte man Undank nennen. „Die linke Partei macht ihren Job, und sie macht ihn nicht schlecht“, sagte der Bekehrte, möchte jetzt aber trotzdem weiterhin lieber zur Minderheit der Konservativen gehören.
Eine Frage aber blieb offen: Ist Jan Fleischhauer nun aus Versehen vom Licht in die Finsternis geraten, oder vielleicht doch umgekehrt? Wenn’s doch nur dämmerte.Gerold Paul
Gerold Paul
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