Kultur: Vom Vater und Bruder
Tarkowskis Schwester erzählte im Filmmuseum über die Familie
Stand:
Tarkowskis Schwester erzählte im Filmmuseum über die Familie Sie hat eine außergewöhnliche Perspektive auf die Ikonen der russischen Filmgeschichte und Literatur. Marina Tarkowskaja ist die Tochter des russischen Dichters Arseni Tarkowski (1907-1989) und die Schwester von Andrej Tarkowski (1932-1986), dem weltbekannten und preiseüberhäuften Filmregisseur. In dem letzten Jahrzehnt hat sie sich intensiv mit der Kunst der Tarkowskis und der Geschichte der Familie beschäftigt. Dabei ist das Buch „Splitter des Spiegels. Die Familie des Andrej Tarkowski" herausgekommen, das in diesem Herbst in deutscher Übersetzung erscheint. Mit ihrem frisch gedruckten Buch in der dunklen Handtasche war Marina Tarkowskaja am Donnerstagabend zu Gast im Filmmuseum Potsdam. Im Rahmen der Andrej Tarkowski-Retrospektive, die noch bis Anfang November läuft, berichtete sie über bisher unbekannte Geschichten aus dem Familienleben und suchte nach Erklärungen für Themen und Symbole, die in den Filmen Tarkowskis auftauchen, den Spiegel, die Türkisohrringe der Mutter, die Familienfotos, nach denen er Filmbilder komponierte. Auch wenn sie dem Bruder den Titel ihres Buches widmete und ihre Episodenüberschriften an filmischen Motiven Andrej Tarkowskis orientiert sind, am Donnerstagabend sprach die Schwester lieber über den Vater. Mit einer Übersetzerin an der Seite saß sie mit dem weinroten Samtjacket und zurückgebundenem Haar auf dem Podium. Auf der Filmleinwand hinter ihr erschienen Fotografien aus dem Familienalbum. Vom Vater, der sich in Jacke und mit Pfeife in der Hand an einen Spiegelschrank lehnt. Vom Sohn vor dem Spiegelschrank. Von der Mutter, die auf dem Verandageländer sitzt. Nach dem Tod von Vater und Bruder begann die Autorin mit der Recherche für ihr Buch. Sie wühlte sich durch Berge von hinterlassenen Papieren, Briefen und Fotografien. Sie reiste durch Russland und die Ukraine, zu Orten, die im Leben der Tarkowskis eine Rolle gespielt hatten - und stieß dabei auf biografische „Splitter“, die sie Stück für Stück zu einem Ganzen zusammenzusetzen suchte. Die Übersetzerin trägt aus dem Buch die langatmige Lebensgeschichte des Spiegelschranks vor, der Andrejs Urbild aller Spiegel gewesen sei und doch nur am Rande erklärt sie, warum er für den jungen Tarkowski solche Bedeutung trug. Die Schwester erzählt von den türkisen Ohrringen, die von der Mutter in den Wirren des Zweiten Weltkriegs gegen Kartoffeln getauscht wurden. Von den Liebesgedichten des Vaters, die sie nicht mit der Mutter in Verbindung bringen konnte. Erst als sie in die einstige Heimatstadt des Vaters, nach Kirowograd, reiste, fand sie die Wahrheit heraus. Maria Gustawowna Falz, die Tochter eines Gutsverwalters, eine anziehende, kluge Frau, die etwas Verletzliches, Weltfernes an sich hatte, war gemeint. Eine Frau aus dem Publikum fragt sie nach der Beziehung zu Andrej. Sie berichtet von einem Verhältnis, dass sich oft wandelte. Andrej habe seine Schwester „untätig“ geliebt. Wie zum Beweis erzählt sie von Tagebucheintragungen, in denen er über die Gefühle für die Familie schrieb. Immer wieder entdecke sie in seinen Filmen an sie gerichtete Grüße. Frauenrollen besetzte er mit Schauspielern, die ihr ähnlich waren. Sie wirkte berührt, endlich kam der Mensch Andrej Tarkowskij an diesem Abend ein Stück weit zum Vorschein. Marion hartig Marina Tarkowskaja: „Splitter des Spiegels. Die Familie des Andrej Tarkowski", edition ebersbach, 160 Seiten, 16 Euro
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: