
© Andreas Klaer
Kultur: Vom wuseligen Leben in Vierecken
Die Ausstellung „Die Quadratur des Spreewaldes“: Neue Bilder des Malers Dieter Zimmermann in der Galerie Sperl
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Das Leben im Spreewald scheint recht friedvoll zu sein. Größere Dissonanzen sind jedenfalls auf dem etliche Quadratmeter großen Wandbild von Dieter Zimmermann nicht auszumachen. Aus 338 einzelnen Leinwänden von 20 mal 20 Zentimetern Größe setzt sich das Panel zusammen. Es ist „die Quadratur des Spreewaldes“. Naturgemäß lässt sich der Wald eigentlich nicht so recht ins Quadrat fassen. Auch bei Zimmermann wuchert er munter vor sich hin. Vorbeiziehende Wolken, Bäume, die sich im Wasser spiegeln, rauschende Gräser, Sternschnuppen in der Nacht. Zimmermann sei sehr naturverbunden, erklärt Ursula Sperl von der Galerie Sperl. Der 73-jährige in Polen geborene Maler verbringe täglich Zeit in der Flusslandschaft, die nahe bei seinem Haus und Atelier liege. Die Impressionen, die er dort sammelt, verdichten sich in dem Tableau.
In kleinteilige Vierecke fasst Zimmermann allerdings auch andere Teile der Realität, die sich in seine Bilderwelt einschleichen. „Zimmobilien“ verhandeln die vielfältigen Möglichkeiten, sich innerhalb eines Ein- oder Mehrfamilienhauses ein- und auszurichten. Das Rechteck gibt den Rahmen vor. Darin segeln dann auch schon einmal die Häuser durch die Luft oder es strecken sonderbare Figuren ihren übergroßen Kopf aus dem Fenster. Auf allen Bildern Zimmermanns wimmelt es nur so vor kleinteiligem Leben, vor wuselig auseinander- und zusammentreibenden Formen und Figuren. Ein ganz eigenes Universum entsteht. Die immer klar erkennbare Bildsprache erweist sich dabei als erstaunlich wandelbar. Egal ob Natur, Immobiliennutzung oder Massenauflauf: Zimmermann gelingt es stets, einen halb amüsierten, halb erstaunten Blick auf das Geschehen zu werfen.
Selbst politische Themen fügen sich seinem Formenkanon. „Masse und Macht“ betitelt der Künstler eine Bilderserie, bei der sich die Silhouette einer Führerfigur über eine Menschenmenge legt. Diese setzt sich aus unzähligen einzelnen Köpfen zusammen. Mit der ihm eigenen Formensprache gelingt es, eine primär malerische Lösung für den schwierigen Inhalt zu finden und nicht in platte Propaganda abzugleiten.
Hier zeigt sich der Maler, der in den 1970er-Jahren bei Willi Sitte an der Burg Giebichenstein in Halle studiert und sich dort den klassischen Umgang mit der Figur bis ins kleinste Detail erobert hat, um dann eine ganz eigene Formensprache zu entwickeln. Auch ein erheblicher Witz schwingt in Zimmermanns Bildern mit.
Zimmermann ist eine fest etablierte Größe im lokalen Kunstbetrieb. Da verwundert es schon ein wenig, wenn seine Bilder immer noch für den gleichen Preis wie vor 20 Jahren zu haben sind. „Der Künstler will es so. Seine Kinder sollen von den Käufern geschätzt, geliebt und gezeigt werden“, kommentiert die Galeristin. Wie auch die übrigen Künstler der Galerie produziere Zimmermann keine Spekulationsobjekte für einen anonymen Markt, sondern habe sich eine ganz eigene Nischenposition zurechtgebastelt. Angesichts der originären Bildsprache, mit der Zimmermann liebevoll die Welt kommentiert, schleicht sich allerdings der Verdacht ein, dass der Künstler irgendwann einmal recht vehement aus der Nische herausgezerrt werden könnte. Richard Rabensaat
Dieter Zimmermann „Die Quadratur des Spreewaldes“, Ausstellung bis 8. November, Galerie Sperl im Erdgeschoss der Fachhochschule Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 4, Mittwoch bis Sonntag, 12 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung
Richard Rabensaat
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