Kultur: Von den Mühen des Lernens
Mit Hochschulprofessor Klaus Hertel der Geige auf die Schliche kommen
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Mit Hochschulprofessor Klaus Hertel der Geige auf die Schliche kommen „Beim Triller muss man den Specht klopfen hören!“ Professor Klaus Hertel nimmt die Geige auf die Schulter und lässt die Fingerspitzen wie kleine Hämmerchen aufs Griffbrett pochen. Statt trockener Schläge auf Holz erklingt im Konzertraum der Musikschule Potsdam eine schnelle, glitzernde Tonfolge – so sollte ein Triller bei Mozart klingen. Doch bis es soweit ist, muss ein Musikschüler jahrelang üben, viel Geduld und Konzentration aufbringen. Und er braucht Lehrer, die neben herausragender Musikalität ein hohes Maß an pädagogischem Engagement besitzen. Eine Koryphäe auf diesem Gebiet ist Klaus Hertel, langjähriger Professor an der Leipziger Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn-Barthody“. Sein Werk umfasst Kompositionen, Bearbeitungen und Schülerliteratur, darunter der Klassiker für Anfänger „Liedspiel auf der Violine“. Viele seiner ehemaligen Schüler spielen in großen Orchestern. Doch die musikalische Breitenarbeit liegt Professor Hertel besonders am Herzen. Wenn er einmal im Jahr zum Unterricht in die Musikschule Potsdam kommt, ist das ein Ereignis - sowohl für die ausgewählten Schüler als auch für Lehrer, die dazu aus ganz Brandenburg anreisen. Dass ein so renommierter Hochschulprofessor seine Erfahrungen an schlichte Musikschüler weitergibt, ist nicht selbstverständlich. Doch mit einem Streichinstrument kann man fast gar nicht früh genug anfangen. Schon bei der Etüde, die Schüler Joachim vorspielt, gibt es viel zu beachten: Das Tempo durchhalten. Die Basslinie herausstellen... Immer wieder nimmt Prof. Hertel seine Geige zur Hand und spielt allein oder gemeinsam mit dem Schüler, manchmal singt er kurz oder deutet am Klavier die Orchesterbegleitung an. Er korrigiert die Haltung, wie stets humorvoll und freundlich: „Wenn Sie so machen, können Sie zwei Drittel des Kinnhalters verkaufen – das Kinn muss im Halter wie zum Schlafen liegen, dann ist der Sitz perfekt. Wenn Sie gar keinen Halter finden, lassen Sie einen Abdruck machen und sich einen schnitzen.“ Zum Schluss spielt Klaus Hertel die Etude vor, einmal als gelangweiltes Übungsstück, und dann als effektvoll-spritzige Zugabe – welch ein Unterschied in Klang und Ausdruck ! Wenn selbst aus einem Übungsstück so viel Klangfülle herausgeholt werden kann, wieviel mehr dann aus einem großen Werk. Und dennoch kann man beispielsweise an Mozarts Violinkonzert A-Dur, das Schüler Joachim vorspielt, „sein Leben lang arbeiten“. Auch kleine, aber nicht unwichtige Details hat Klaus Hertel untersucht: „Spielt man hier ein A oder E ? Ich habe das Facsimile zu Hause und mit der Lupe angeschaut. Mozart hat ein A geschrieben – aber natürlich können Sie auch, wie viele Geiger, ein E spielen. “ Selbst als Meister kann man noch dazu lernen, wie bei zwei wichtigen Akkorden aus Mozarts A-Dur-Konzert: „Ich habe gelernt, hier forte-piano zu spielen. Doch seit vielen Jahren vertrete ich die Auffassung: erst piano dann forte. Weil die Bläser in der Begleitung uns dazu zwingen.“ Die Demonstration an Klavier und Geige klingt verblüffend gut und beweist: Nur so kann es sein. „Man muss manchmal denken: Ich will jetzt etwas erzählen. Erzählen Sie mir was Schönes „ muntert der Lehrer die Schülerin Sophie auf. Doch nach kurzer Zeit wird sie unterbrochen. „Nein, nein, ich hab gar nicht verstanden, was Sie sagen wollen, ich habe nicht den Eindruck, dass Sie sich an dieser Musik freuen. Nehmen Sie sich die innere Ruhe !“ Die Schülerin beginnt erneut. Auf einmal klingen die ersten Takte zaghaft, sacht, rein – wie eine Suche nach dem richtigen Weg - die Geige hat etwas erzählt, von den Mühen des Lernens, von der Zartheit der Töne, von der Schönheit der Musik. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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