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Kultur: Von der Kunst des Antippens Nadja Küchenmeister las im Kulturzentrum Kuze

Es ist still im Theatersaal des studentischen Kulturzentrums Kuze in der Hermann-Elflein-Straße, eine gespannte Stille, die mit der leisen Präsenz von Naja Küchenmeister zusammenhängt, die hinter ihren Worten beinahe unsichtbar wirkt. Lyrik benötigt eben nicht den Menschen, der sie verbalisiert, sondern steht für sich; aber einer muss sie ja lesen, sonst wäre sie nur Buchstaben auf Papier.

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Es ist still im Theatersaal des studentischen Kulturzentrums Kuze in der Hermann-Elflein-Straße, eine gespannte Stille, die mit der leisen Präsenz von Naja Küchenmeister zusammenhängt, die hinter ihren Worten beinahe unsichtbar wirkt. Lyrik benötigt eben nicht den Menschen, der sie verbalisiert, sondern steht für sich; aber einer muss sie ja lesen, sonst wäre sie nur Buchstaben auf Papier.

„Ich kann das Bild nicht mit hinübernehmen“, beginnt die Autorin, die am Montagabend im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Montagskultur“ las, eines ihrer Gedichte. Es ist seltsam kurz, aber gerade in dieser Kürze schließt sich der Kreis. Es geht um Bilder, die in Pupillen stechen, und letztlich um den Tod – was als so plakatives Thema immer eine gewisse Gefahr in sich birgt. Sie trifft aber mit diesen präzisen Bildern genau das, was Lyrik treffen muss: die emotionale Ebene. Prosa sei zwar kohärenter als Lyrik, aber sie fühle sich in der Lyrik wohler: „Man kann durch Antippen Bedeutung schaffen“, sagt Nadja Küchenmeister. Wie in einem ihrer Gedichte, das im jüngsten Gedichtband „Unter dem Wacholder“ erschien: „nur ein schneerest, der noch leuchtet / die reihe laternen kann nicht erhellen / was unter den füßen an boden verschwimmt“ ist eine Zeile des Gedichtes „die blumen des bösen“ in Anlehnung an Charles Baudelaire.

Nadja Küchenmeister, 1981 im Osten Berlins geboren und „als Teil einer Kindergang“ am östlichen Stadtrand groß geworden, hat diese Umbruchszeit als eines ihrer Themen. Gedichte, die mehr kurze Geschichten sind, sind so entstanden: In „Das amerikanische Licht“ geht es um genau diese Zeit, die sie mit zarten, subjektiven Bildern festhält. Da gibt es „Laute, die den Herzschlag spürbar machen“, das Licht „hockt als gelbes Quadrat und wartet“ und „auf dem Spielplatz glühten Kuchenförmchen“ – diese lyrische Schwere lässt den Zuhörer leiser, fast unhörbar atmen. So muss es also gewesen sein, damals in Hellersdorf, dem Berliner Stadtteil, der genauso alt wie die Autorin selbst ist.

Im Sommer 2013 kehrte sie genau dorthin zurück, für die „Frankfurter Allgemeine“ sollte sie einen Feuilleton-Beitrag schreiben: Es ging um ihre alte Schule, in die gerade ein Asylbewerberheim untergebracht werden sollte, ein mehr als fragwürdiger Bürgerzusammenschluss kämpfte verbissen dagegen an. Die Begegnung mit dem Topos ihrer Jugend wirkt wie eine Katharsis, die Verbundenheit ist verflogen: „Die Schnappatmung, die bei mir früher einsetzte, sobald ich die Sicherheit meiner Hellersdorfer Blase verließ, ereilt mich nun in umgekehrter Weise“, schreibt sie. Der Ort ist für sie verloren: Nach ihrem Artikel sei sie dort sogar zu einer persona non grata geworden. Sie sagt das, als scheine sie es nicht zu stören.

Viele Orte haben so ein Stigma, aber nichts liegt Nadja Küchenmeister ferner als fiktive Orte, die in manchen Roman beschrieben werden: „Ich kann das nicht lesen!“, wehrt sie sich. „Eine Situation ohne benennbaren Ort ist für mich unlesbar.“ Ein Ort ist eben ein Fundament, auf dem Fiktion erst entstehen kann. So funktioniert auch ihre Lyrik: Am Anfang wisse sie nicht, wie das Gedicht werde – aber am Ende konnte es einfach nicht anders sein, dann darf es nur so stehen bleiben. „Umschreiben ist kaputtschreiben“, sagt Nadja Küchenmeister. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

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