Kultur: Von der Kunst des Klebens
Collagen von Strawalde und Sabine Herrmann in der Galerie Kunstkontor am Neuen Garten
Stand:
„Assembler“ (etwas zusammenfügen) und „coller“ (kleben) waren die Verben, die einigen Künstlern zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer Revolution in der Kunst verhalfen. Juan Gris, Georges Braque, Yves Tanguy, Hannah Höch – Dadaisten und Surrealisten spielten mit unterschiedlichen Weltausschnitten im wahren Sinn des Wortes und klebten sie, auch mit Objekten gemischt, auf eine Leinwand.
Die weitgehend vom Zufall bestimmte Versammlung von Dingen, Weltausschnitten, Gestalten, die ursprünglich nichts miteinander zu tun hatten, führten zu einer großen Freiheit des kreativen Moments. Was man nicht zu malen vermochte – oder nicht malen wollte – wurde einfach zusammengestellt, verklebt, ausgeschnitten, zu neuen Kombinationen improvisiert. Diese Form der Kunst hat sich inzwischen in die Bastelzirkel und den Kunstunterricht der Schulen verkrochen, von ernstzunehmenden Künstlern allerdings sieht man immer weniger solcher Arbeiten. Umso besser, dass die Galerie Kunstkontor der Collage eine eigene Ausstellung widmet. Zwei eigentlich sehr unterschiedliche Künstler, Strawalde und Sabine Herrmann, finden in den Räumen der Galerie auf diese einfache Weise zusammen: Sabine Herrmann und Strawalde, der eigentlich auch Jürgen Böttcher heißt und als Filmemacher keinen geringen Namen hat.
Sabine Herrmann nennt ihre Collagen, die ein klar zirkuliertes Zentrum haben, „Hommage an Hannah Höch“. In ihren Arbeiten wird das Auge vom großen gemalten Rahmen zu einer rechteckigen Mitte mit Eigenleben geführt. Hannah Höch, eine Berliner Künstlerin (1889-1978), die 1917 mit der Dada-Bewegung in Berührung kam, thematisierte in ihren Collagen der 20er Jahre Funktion und Bild der Frau in der Gesellschaft. So erhielten bei ihr die zufällig scheinenden Zusammenstellungen einen Sinn, der höchst feministisch war. „Dada-Ernst“ heißt ein Bild, auf dem Frauenbeine mit Münzen kombiniert werden – wodurch der Unernst des Dada tatsächlich ernst wurde. Nun bezieht sich die 1961 in Meißen geborene Sabine Herrmann also auf Hannah Höch, umrahmt ihre eigenen Collagen mit ihrem persönlichen Strich. Sie ist als abstrakte Malerin, die sich auf die Wirkung der Farbe und ihres Auftrags konzentriert, bekannt. Ihre eigene Kunst konfrontiert sie mit Collagen im Sinne von Hannah Höch. So steckt in einem in rot und grün gehaltenen Rahmen ein kleines Postkartenbild, das auch von Dalí stammen könnte: Ein Frauentorso reckt sich gerade, aus der Brust schaut ein Auge und zwischen die Beine stellt sich ein weiblicher Mund quer.
Eine andere Arbeit zeigt in einer blau geschwungenen Farbfläche eine Art Frau, die aus Hochhauselementen zu bestehen scheint, in ihrer Mitte prangt die Körperhälften trennend eine schwarze Kugel. Sabine Herrmann spaziert in der Tradition von Hannah Höch in surrealistischen Gefilden, ohne jedoch deren dezidierte Aussagekraft zu erreichen. Ihr „Blaue Lagune – Erinnerung an Japan“ genanntes großformatigeres Bild ist filigran und japanisch schön.
Strawalde, der 1931 als Jürgen Böttcher geboren wurde und in Strawalde aufwuchs, geht mit seinen Assemblagen andere Wege. Sicher sind auch hier die Vorbilder zu erkennen, da scheint ein Georges Braque durch, ein Kurt Schwitters, aber, da kann Strawalde machen, was er will, er bleibt immer Strawalde. Und das ist gut so. In seinen Collage-Arbeiten ist nichts wirklich „zufällig“, Form und inhaltliche Kombination der Elemente zeugen von einem starken künstlerischen Willen. Dieser lässt sich durch den Zufall inspirieren, wenn ein Stück Samt wie eine Sonne aussieht, aber er kreiert daraus eine Landschaft mit warmer Sonnenbestrahlung. Oder das Zeitungsfoto eines „Staatsbesuchs“ von Angela Merkel, die vor einer Reihe arabischer Herren defiliert, inspiriert den Künstler zu - in dem Falle auch - ironischen Statements zur Zeit. Manchmal auch zur abgelaufenen Zeit, die sich beim „Neuen Deutschland“ fragmentarisch gibt und mit viel schwarzer Farbe kommentiert wird. Diese geordneten Zufälligkeiten lohnen einen Besuch. Lore Bardens
Kunstkontor, Bertinistraße 16B, Di/ Mi 15-19 Uhr, Do 15-22 Uhr, Sa 13-18 Uhr
Lore BardensD
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