zum Hauptinhalt
Immer in Bewegung. Auf zwei verbundenen Trampolinen springen die Mitglieder der Gruppe Kombinat für ihre neue Show.

© Stefan Gloede

Kultur: Von der Sprunghaftigkeit des Seins

„Grand Jeté“ von der Gruppe Kombinat ist eine Performance mit Film und Artistik

Stand:

„Großer Sprung von einem Bein auf das andere.“ So steht es im Lexikon der Ballettfachbegriffe unter „Grand Jeté“. In der Luft werde posiert. „Man schwebt durch die Luft, möglichst lang und elegant. Ach, es ist ein schönes Gefühl, die Schwerkraft zu besiegen.“ So beschreibt es eine ehemalige Berufstänzerin im Stück „Grand Jeté“, einer multimedialen Performance aus Film, Musik und live vorgeführter Trampolinartistik.

Das Stück der genreübergreifenden Kulturproduktionsfirma „Kombinat“ mit Paula E. Paul und Sirko Knüpfer aus Potsdam wird am 21. August im Waschhaus uraufgeführt. „Es ist ein Stück über Absprünge und Landungen, über die Migration von Erfahrung“, sagt die Choreografin Paule E. Paul. „Was passiert, wenn ich springe, mich fallen lasse, was passiert, wenn ich es nicht tue? Wie lande ich – und wie gehe ich damit um, vielleicht in der Luft hängen zu bleiben?“

Die Begriffswelt aus Tanz, Sport und Theater bietet metaphorischen Spielraum für Lebensläufe, Lebensentscheidungen und Wendepunkte. Sirko Knüpfer und Paula E. Paul trugen das Thema lange im Unterbewusstsein mit sich herum. Es sollte um Lebenswege ehemaliger Profitänzer gehen, Menschen, die intensive, körperliche Erfahrungen machten, sich aber für einen „Grand Jeté“ entschieden, der sie in ein völlig anderes berufliches Umfeld brachte.

Aus Tänzern wurden ein Bademeister und ein Manager, eine Ärztin und eine Therapeutin. In Interviews blicken sie in der Performance zurück, erinnern sich an ihre Gefühle auf der Bühne, beim Tanz, beim Grand Jeté. Und erzählen, wie es heute ist. Warum sie die Tänzerkarriere, ein das Leben vollkommen einnehmender Beruf, beenden wollten oder mussten. Es sind sehr persönliche, poetische, manchmal trockene Worte.

„Das Projekt im Kopf war relativ schnell fertig“, sagt Paule E. Paul. „Und dann kommt die Phase, in der man sich daran reibt: Wie setze ich den philosophischen Gedanken um, wie bekomme ich die Leute in die Luft?“ sagt die Choreografin. Etwa 80 Minuten dauert die Vorstellung: Ein Kraftakt für die drei Trampolinkünstler, Steven Lehmann aus Potsdam sowie Patrick Hildebrand und Tjorm Palmer aus Berlin. Während auf zwei Leinwänden filmische Interviews gezeigt werden, treten darunter und davor die Springer auf. Sie greifen auf, was die Menschen in den Interviews sagen, spielen, kommentieren, agieren.

Zwei Trampoline aus dem Profisport, verbunden mit einer Art Landebrücke, bilden die Bühne. An den Seiten sind Gerüstkonstruktionen aufgebaut, für Absprung und Landung. Die Trampolinartistik vermischt sich mit Schauspiel-Choreografie. Die Personen agieren miteinander, im Zweikampf, im Auf und Ab. Die Springer nutzen auch die leicht angeschrägte hölzerne Rückwand, springen an ihr empor, laufen, stützen sich ab, stürzen ab. Hinter der Leinwand und somit unsichtbar für den Zuschauer steht ein Trapez – wenn der Trampolinspringer dort zugreift, hängt er an Ort und Stelle, nur der Unterkörper bleibt sichtbar, die Beine laufen, strampeln in der Luft, ohne den Menschen vom Fleck zu bewegen.

Auch bei den drei Akteuren, Artisten und Leistungssportler, begann im Laufe der Arbeit an dem Stück ein Reflektieren, ein Nachdenken über ihre eigene berufliche Situation. Tjorm Palmer von der Staatlichen Artistenschule Berlin begann vor einem Jahr, in seinem Wunschberuf zu arbeiten. Über Alternativen für eine Zeit danach denkt er noch nicht nach. „Aber klar, das muss man schon wissen – in zehn oder 15 Jahren ist Schluss, dann macht der Körper nicht mehr mit.“

Steven Lehmann arbeitet als Stuntman, Schauspieler und Artist, er ist gelernter Elektrotechniker. „Das ist durchaus beruhigend, so etwas in der Hinterhand zu haben“, sagt er. Für Patrick Hildebrand ist „Grand Jeté“ vorerst das letzte künstlerische Projekt. Er wird eine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann beginnen. „Das hier ist sozusagen mein Absprung“, sagt er etwas wehmütig. Sie alle werden bei der Uraufführung auf die Filmprotagonisten stoßen, die sich das fertige Stück ansehen wollen. „Wir sind gespannt, was die das finden, wir freuen uns auf die Gespräche“, sagt Tjorm Palmer.

Nur mit Förderung von Stadt und Land sowie einiger Spenden konnte das Projekt umgesetzt werden, sagt Paule E. Paul. Vor allem die technischen Aufbauten waren kostspielig. Es freue sie deshalb besonders, dass die Kulturanlieger der Schiffbauergasse aushalfen, mit Bühnentechnik, Licht und Zuschauertraversen. „Es ist eigentlich ein Schiffbauergassenprojekt – ganz, so wie es sein sollte“, sagt Paule E. Paul.

Die Uraufführung findet am Donnerstag, 21. August, um 20 Uhr im Hof des Waschhauses, Schiffbauergasse 6, statt. Karten im Vorverkauf 15, an der Abendkasse 19 Euro. Weitere Vorstellungen am 22., 23., und 24.8. um 20 Uhr, am 24. 8. auch um 15 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })