Kultur: Von Mittelmäßigkeit entfernt
Das Hans Otto Theater spielt im Neuen Palais Peter Shaffers Stück „Amadeus“
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Das Hans Otto Theater spielt im Neuen Palais Peter Shaffers Stück „Amadeus“ Von Klaus Büstrin Ein gut angezogener Pianist sitzt am Klavier und musiziert, irgendwo in einem heutigen Etablissement, das mit dem Charme des Rokoko ausgestattet ist. Ein Stoßgebet ist aus seinem Munde zu hören: „Lieber Gott, mach mich auf der ganzen Welt berühmt, unsterblich.“ Ist es der Komponist Antonio Salieri oder ein Pianist, der aus seiner Mittelmäßigkeit herauskommen und die „höheren Weihen“ empfangen möchte? Es ist Salieri. Mit den Besuchern des Etablissements will er ein Theaterstück spielen, in dem sein Gegenspieler Mozart vernichtet werden soll. Jeder Gast bekommt eine Rolle. Man darf Konstanze Mozart oder die Sängerin Cavalieri spielen, den Kaiser Joseph II., Orsini-Rosenberg, den Direktor der Nationaloper, Baron van Swieten oder die beiden Zuträger von Informationen, Klatsch und Gerüchten, die Venticelli. Das Theaterstück „Amadeus“ kann beginnen. Und damit ein durchweg unterhaltsamer Abend im Schlosstheater im Neuen Palais als Auftakt zum kommenden Mozart-Jahr. Petra Luisa Meyer, die nach dem Solo für Rita Feldmeier „Welche Droge passt zu mir?“ nun zum zweiten Mal am Hans Otto Theater Regie führt, hat neben der Leichtigkeit des Stücks des Engländers Peter Shaffer aus dem Jahre 1979 den menschlich-tragischen Aspekt nicht außer Acht gelassen. Es erzählt von der Mär des einflussreichen Hofkompositeurs Salieri, er habe Mozart persönlich vergiftet. Das Stück könnte auch Salieri heißen, denn dieser steht im Zentrum der Geschichte. Er ist einer der wenigen zu seiner Zeit, die das Genie Mozarts erkannt haben und daher auch die eigene Mittelmäßigkeit. Unerträglich wird ihm darum die Diskrepanz zwischen Mozarts scheinbar infantilem Verhalten und seiner göttlichen Musik. Uwe-Eric Laufenberg spielt den Salieri als einen glatten Menschen, der seinen Einfluss bei Hofe genießt, seine Überlegenheit gegenüber den jüngeren Mozart zur Schau stellt, das Intrigenhafte seines Wesens geschickt verbergen kann und seinen Hader mit Gott in verzweifelte Ausbrüche münden lässt. Das wird von Laufenberg mit expressivem Spiel ausdrucksstark beleuchtet. Nicht anders Tobias Rott, der den Mozart so spielt, wie Salieri ihn charakterisiert, als einen kichernden, aufgeblasenen, infantilen jungen Mann, der „Scheiße im Maule führt“. Doch Rott weiß auch den liebenden, verzweifelten, den von Nerven zerrütteten Mozart zu geben. Salieri nutzt dessen Verfassung und er lässt sich von seinem Kontrahenten, der kaum etwas Böses von seinen Mitmenschen erwartet, dessen letztes Werk diktieren, das Requiem. Etwas zu sehr in die Länge wird dieses Diktat getrieben, auch mit viel Pathos. Da ist fast die Aufmerksamkeit aufgebraucht, weil auch die kurz vor Stückende erzählten problematischen Beziehungen Mozarts zu seiner Schwiegermutter, Cäcilia Weber (Gabriele Näther) und zum enttäuschten Freimaurer-Bruder Baron von Swieten (Helmut G. Fritzsch) nur noch wie angehängte Episoden wirken, wie Bilderbögen. Bis dahin aber war die Inszenierung Petra Luise Meyers in keinem Moment trocken oder gedehnt, sondern temporeich, komödiantisch und spannend. Pointiert wusste das Ensemble seine mehr oder weniger dankbaren Rollen zu spielen: Katrina Krumpane (mit schöner Sopranstimme), Henrik Schubert, Christian Klischat, Joachim Schönitz, Philipp Mauritz und Hans-Jochen Röhrig. Adina Vetter war eine in ihrem Wolferl herrlich verliebte und sorgende Konstanze. Der Musik fällt natürlich in einem Mozart- und Salieri-Stück eine Hauptrolle zu. Mozart mehr. Da gibt es Ausschnitte vor allem aus dem „Figaro“. Die Gräfin-Arie von den entschwundenen schönen Stunden drückt die Gefühlslage von liebenden Menschen sehnsuchtsvoll aus. Köstlich die Proben zu dieser Oper mit dem „verbotenen“ Tanz, bei dem die beiden Venticelli ihre treffsicheren Bewegungskünste unter Beweis stellen. Ironisiert werden die Gesangskünste von Gabriele Näther und Helmut G. Fritzsch in den von ihnen teilweise gesungenen Arien der Königin der Nacht und des Sarastro, die jedoch schließlich von anderen Sängern aus dem Off übernommen werden. Zum Erfolg der Aufführung tragen auch das Bühnenbild Henning Schallers und die Kostüme Jessica Karges bei, die ebenfalls von Mittelmäßigkeit weit entfernt sind. Zum Schluss kehrt man wieder ins Heute zurück. Mozart bleibt der „Göttliche“. Da gibt es keinen Zweifel. Es gibt lang anhaltenden Beifall.
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