Kultur: Von orgiastisch bis langweilig
Landesjugendsinfonieorchester mit Carmina Burana
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Zum 15-jährigen Jubiläum des Landesjugendsinfonieorchesters Brandenburg gab es eine Festwoche. Hatte Chefdirigent Sebastian Weigle das „Festkonzert“ (u.a. mit Schostakowitschs „Leningrader Sinfonie“) im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt dirigiert, saß er (zwei Tage später, am Freitag) beim „Jubiläumskonzert“ im Potsdamer Nikolaisaal unter den Zuhörern. Den Stab hatte er seinem Stellvertreter Leo Siberski überlassen, der die 80 Jungmusiker, die sich nun Junge Philharmonie Brandenburg nennen dürfen, in Jubiläumsspiellaune versetzte.
Doch zunächst beginnt das Ritual des konzentrierten Einstimmens der Instrumente. Weigle hatte von Anbeginn an sehr darauf geachtet. Es zahlt sich bei jedem ihrer inzwischen so zahlreichen Auftritte immer wieder aus. Auch unter Siberskis Leitung gibt es im eingangs erklingenden „Vorspiel und Karnevalsmusik“ aus Erich Wolfgang Korngolds früher Oper „Violanta“ kein auf pure Sicherheit bedachtes Musizieren. Mit Hingabe stürzen sie sich in die Leidenschaften der klanglich vorweggenommenen Handlung, lassen Liebeslust schwelgerisch erblühen, dräuen Eifersucht und Rache. Die Garde der Komponisten aus Gründerzeit und Jugendstil scheint dabei versammelt. Im Vorspiel finden sich in Kombination von Klavier und Röhrenglocken sogar Floskeln, wie sie später Carl Orff in seiner „Carmina Burana“ verwendet hat.
Diese Lieder aus Benediktbeuren stehen dann nach einer kurzen, den Grußworten vorbehaltenen Pause auf dem Programm. Ist schon das Podium überreich mit Musikern gefüllt, drängen sich nun auch noch die Chormassen der Singakademie Potsdam bis an die Rückwand. Das kann akustisch nicht gutgehen. Geht es auch nicht. Die durchschlagskräftige Anrufung der Glücksgöttin „O Fortuna“ liegt deutlich über der EU-Richtlinie für Lautstärke. Da von einem zu hohen Level aus gestartet wird, artet die crescendierende Notation regelrecht in Brüllerei aus. Dass die klaren, gut zusammenklingenden und rhythmisch sicheren Stimmen da mithalten können, spricht für ihre gediegene Stimmbandschulung.
Im Gegensatz dazu lässt Siberski des Frühlings heiteres Gesicht und andere lyrische Passagen sehr breit ausmusizieren und besingen, um unverhofft wieder zur Eile anzutreiben. Ein Wechselbad zwischen orgiastisch und langweilig – der Dirigent liebt die Extreme. Mit Begeisterung und Können folgen alle seinen in präziser Zeichengebung übermittelten Anweisungen. Klangvoll und sehr lyrisch singt Martin Kronthaler die Baritonpartie. „In Taberna“ allerdings fehlt“s an „Biss“, liegt ihm die Höhe unbequem in der Kehle. Dagegen offenbart er als besoffener Abt sogar Witz. Mit Strahlkraft, Glanz und falsettierender Höhe singt Timothy Oliver (Tenor) die Erlebnisse des gebratenen Schwans. Leuchtend, legatosicher und sopranerblühend stimmt Anett Fritsch die Liebesbekenntnisse eines jungen Mädchens an. Einzig die Höheneuphorie des „Dulcissime“ gerät ihr ein wenig mühevoll. Dann bricht erneut die „O Fortuna“-Brachialgewalt herein, dem lautstarker Jubel folgt. Peter Buske
Peter Buske
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