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Von Gerold Paul: Von Tod und Teufel

„Bis in die Puppen“: Unidram begeisterte mit der Langen Nacht des Figurentheaters

Stand:

Seit eh und je und bei jeder Gelegenheit erprobt der Teufel seine Künste, und immer verliert er am Ende. Zwischendurch aber darf er Erfolge feiern, große für ihn, bittere für seine Opfer. Mit dieser heutzutage eher seltenen Einsicht begann am Dienstagabend das grandiose Handpuppen-Spiel „Grete L. und ihr K.“ des Künstlertrios Claus Knecht Großmann aus Berlin. Diese zum Jauchzen schöne, obwohl nicht ganz jugendfreie Produktion war als Teil von Unidram zugleich auch Bestandteil der bestens besuchten „Langen Nacht des Figurentheaters“ mit dem sinnigen Titel „Bis in die Puppen“.

Wie alle anderen Vorstellungen war auch sie ausverkauft, doch gerade diese verwandelte, ach was, verzauberte Bühne wie Publikum, als ob sie Goethes „Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“ nachstellen wollte. Na ja, was Grete mit Kasper, Kasper da mit Grete tat, war den jungen Leuten ja vertraut: Zanken, Streiten, Auseinanderlaufen inklusive. Aber alles kein Menschenwerk. Die Unterwelt braucht Seelen, und so macht sich der glatzköpfige Böse mit seinem feuerroten Umhang selbst daran, Margarete L. auf K. anzusetzen. Sie ist bereits 36, stammt aus Berlin und will endlich Familie und Kinder haben, verschiedene Beziehungen davor hielten gerade deshalb nicht. Mit der Kraft des lendengesteuerten K. geht dann alles sehr schnell. Wird der arme Teufel wenigstens einen der beiden kriegen, oder wieder mal nicht?

Eingestimmt auf diese Geschichte war das Publikum schon durch die „Bedrängnisse der Virginia“ sowie durch ein betont melancholisches Stück des Objekttheaters „TAMTAM“ aus Deventer. Es hieß „Survival oder wie man Murphys Gesetz überlebt“. Nun wurde man zwar nicht belehrt, wer dieser Murphy ist, dafür aber vom Meister Gérard Schiphorst mit satten Bluesklängen zur Gitarre begrüßt. Sein Spielfeld ist ein länglicher Tisch, dahinter eine echte Guckkastenbühne im blauen Licht. Zusammen mit Marije van der Sande bewegt er, stets sichtbar, das kleine Universum des anderen Herrn, ebenfalls mit dem Namen K. Dieses Universum ist bescheiden, nur aus einem windschiefen Haus, einem Baum und dem Hund bestehend. Weil dies aber irgendeinem Bösen nicht gefällt, rücken „anonyme Mächte“ heran, ihm alles zu nehmen. Zwei Hämmer, Stichsäge, Lampen, Scheren, sogar ein alter Bettwärmer aus Zink beteiligen sich an der Vertreibung. Nonverbales, poetische Bilder von Wehr und Gegenwehr. Zuletzt baut sich dieser K. – die Anspielung auf Figuren aus dem reichen Universum des Schriftstellers Kafka ist eindeutig – aus den Schindeln seines Daches ein Flugzeug. Denn Überleben ist nur noch durch Flucht möglich.

Nach diesem Mikrodrama für Adleraugen zeigte die Berlinerin Uta Gebert „Cocon“, das surreale Spiel für ein mitfühlendes Gespenst, ein kleines Menschenpuppenkind und sie selbst. Das langkrallige Weiße entwächst der Wüste, das Kind wird aus einem Uterus kopfüber geboren, erleidet einen Krieg, wird dann zu zwei aus der Erde ragenden Armen geführt, diese halten ein Buch. Dazu gab es elektronisch-kosmische Klänge, das Ende bleibt offen. Mehr poetisch als dramatisch das Ganze, aber auch zu fortgeschrittener Stunde gut besucht und freundlichst aufgenommen.

Und wie ging gleich Kaspers tolldreiste Geschichte in „Grete L. und ihr K.“ aus? Das Paar hatte sich auf das teuflische Betreiben des Unaussprechlichen getrennt, Kasper Leben endet verzweifelt am Strick. Frohlocken bei Teufel und dem bleichgesichtigen Tod! Auch Gretes Reue kommt zu spät, sie geht dahin. Dies aber konnte nach der Prämisse nicht sein, das Böse durfte nicht siegen. Und tatsächlich, die intelligente, rasante, lakonische Aufführung entpuppte sich als Spiel im Spiele eines Theaters. Also trottete das Pärchen zum Finale sehr verliebt aus der Szene, wie bei einem Chaplin-Film. Wer verlor? Das Publikum jedenfalls nicht, dank Unidram und der stets präsenten Frau Muse. Sie verteilte rund ums T-Werk ihre dicksten besten Küsse.

Heute: die italienische Theatergruppe Muta Imago zeigt um 20 Uhr in der Waschhaus Arena das visuelle Theaterstück „Lev“ und im Museum fluxus+ gibt es ab 19 Uhr (halbstündlich bis 20. 30 Uhr) die multimediale Kurzperformance „Track“ von Vincent de Rooij aus Amsterdam.

Gerold Paul

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