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Kultur: Von ungesehenen Heldentaten
Das 16. Festival der Frauen würdigt ab Mittwoch die „Heldinnen und Rebellinnen“ des Alltags
Stand:
Sie machen sich frei. Nicht dass sie dabei ihre Hüllen fallen lassen. Es ist ihre Seele, die sie offenlegen sollen, wie es die Künstlerin Patricia Vester von den Frauen fordert. Ihr Buch „Nackte Frauen. Wahrheit und Lüge“, das sie zum Auftakt des 16. Festivals der Frauen am morgigen Mittwoch in einer Kunstaktion am Brandenburger Tor sowie in einer Lesung bei „PrimaDonna“ vorstellt, geht es um das Ungesagte, um die intimen Geheimnisse, die man eigentlich nur der besten Freundin anvertraut. Patricia Vester lässt rund 100 Frauen sprechen: zwischen 13 und 103. Hinter vielen steckt die Autorin selbst mit den verschiedenen Seiten ihres Frauseins: so wenn sie über das Afrodeutschsein erzählt oder wenn sie beschreibt, wie sie sich gerade mit ihrem pubertierenden Sohn überfordert fühlt. Über ein Jahr hat die Künstlerin für ihr erstes Buch, das sie reich illustrierte, in sich und andere hineingehorcht. Eine erzählt, wie sie ihr Geld verspielt hat, ihr die Kinder weggenommen wurden und der Alkohol sie immer tiefer in die Knie zwang. Eine ältere Frau offenbart, dass sie heimlich Flaschen sammelt, ohne es ihren Kindern zu sagen, und zugleich einen Computerkurs belegt, um den Enkeln bei den Hausaufgaben helfen zu können. Frauen, real oder fiktiv, offenbaren, nach was sie sich sehnen und was sie um den Schlaf bringt.
„Heldinnen und Rebellinnen“ ist das fünftägige Festival der Frauen überschrieben. Es gibt „einen Einblick in die großen Potenziale von Frauen – und in das, was sie erreichen können, wenn sie für ihre Werte eintreten“, heißt es im Programm. „Von den oft ungesehenen Heldentaten im stillen Kämmerlein“ soll erzählt werden, wie Organisatorin Sandra Kitzrow sagt. Ganz normale Frauen, die vor allem eines verbindet: dass sie zielstrebig und kämpferisch ihren Weg gehen. Aber auch solche kommen zu Wort, die sonst namen- und gesichtlos bleiben, wie die Frauen in „Don’t fasten your seatbelt“. Die vom Bayrischen Flüchtlingsrat organisierte Wanderausstellung lässt fühlbar werden, wie es diesen Migrantinnen geht, wenn sie in Windeseile ins Flugzeug verfrachtet werden und es heißt: Anschnallen und wieder zurück in das Land, aus dem sie geflüchtet sind. Der Besucher kann diese Situation nachempfinden, wenn er selbst in den zwei Flugzeugreihen Platz nimmt, die erst in der Brandenburger Straße und danach im Jugendkulturzentrum Freiland aufgebaut sind und unter Kopfhörern und per Bildschirm die Schicksale dieser Entsorgten greifbar werden lassen.
Dieses Festival zeigt aber auch die Stärken der Frauen, wie in dem Film „Die Frau, die singt“, der im Thalia zu sehen ist und der ein Porträt über Denis Villeneuve zeichnet, die eigentlich keine Chance hat, aus dem Strudel der Gewalt während des Bürgerkriegs im Nahen Osten herauszukommen und doch ihren Kindern den versöhnenden Auftrag mit auf den Weg gibt, der Wahrheit ins Auge zu schauen.
Die 46-jährige McKinley Black führt indes ein Hippieleben – unterwegs zwischen Großstadt und Kuhdorf –, nur die Gitarre als festen Begleiter. Sie singt dort, wo sie ihrem Publikum nahe sein kann: wie jetzt im Schiffsbauch der „John Barnett“. In ihren Liedern besingt McKinley Black mit satter voluminöser Stimme die Großmutter, die sechs Kinder hatte, als sie ihren Ehemann samt Familie in Portugal zurückließ, um sich in einer Fabrik in New York Arbeit zu suchen. In Amerika bekam sie noch mal fünf Kinder. 94 Jahre ist ihre Großmutter geworden und nie habe sie sie klagen gehört. Diese Geschichte wird McKinley Black singen, verpackt in den traditionellen Klängen ihrer Urheimat Portugal. Sie selbst ist auf Cape Code aufgewachsen, wo die Kennedys ihre Ferienhäuser haben. McKinley Black jobbte durchs Leben, mit Musik als Haltegurt.
Diese Melodien klingen für das unwissende deutsche Ohr nach Country, doch das behagt der Musikerin gar nicht. Country ist für sie sie die Musik der Südstaaten und der Cowboys mit der strammen Rechtsausrichtung. Sie pflegt indes einen Mix aus Country, Folk und Rock, den sie mit Pete Seeger oder Bob Dylan verbindet. Und den sie gehört hat, als sie Kind war. Diese Folksänger haben sie geprägt, wie einst die Großmutter, ihre Heldin.
16. Festival der Frauen von Kulturverein „PrimaDonna“ des Frauenzentrums, Schiffbauergasse 4H, vom 26. September bis 3. Oktober. Weitere Informationen unter Tel.: (0331) 967 93 29 oder
www.primadonna-potsdam.de
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