Kultur: Von Wachtelschlag bis Donnergrollen
Kompositorische Natureindrücke bei den Musikfestspielen: Die Tonmalerei hat eine lange Tradition
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Kompositorische Natureindrücke bei den Musikfestspielen: Die Tonmalerei hat eine lange Tradition „Es war die Nachtigall und nicht die Lerche“, wusste schon Julia zu unterscheiden, als sie am Morgen danach Romeos Abschied hinauszuzögern trachtete. Sie hatte die naturalen Tonfolgen der Originale im Ohr. „Kuckuck, Kuckuck ruft''s aus dem Wald“, auch dieser typische Lockruf ist einem hinlänglich bekannt. Amsel, Drossel, Fink und Star bleiben gleichfalls nicht stumm, wenn es ans Singen, Plaudern, Klopfen, Tschilpen, Gurren oder Girren geht. Sie blieben stumm, wenn in Feld und Hain schwere Unwetter mit Donner und Blitz hereinbrachen. Wurde es kälter, flohen sie gar gen Süden. Da gab es keine Möglichkeit, sich ihrer und anderer Stimmen der Natur zu erfreuen. Um der Wirklichkeit dennoch nicht entsagen zu müssen, entdeckte die Göttin der Tonkunst die Möglichkeit, mit der Nachahmung jedweder Naturlaute die Seele zu erfreuen. Bei den Musikfestspielen gibt es mehrere Konzerte in denen die Natur hörbar zu erleben ist. Seit der Antike war die Erkenntnis, dass die Musik ein Abbild der Natur sei, dem Gedächtnis fest verankert. Im Zeitalter der Aufklärung erfreute sich diese Idee einer imitatio naturae regen Interesses. Kaum ein Komponist, der sich nicht berufen fühlte, per Lautmalerei für hübsche Effekte zu sorgen. Vögel eigneten sich dafür besonders. Den Kuckucksruf oder Wachtelschlag ins Notenbild und auf Instrumente zu übertragen, bereitete ihnen keine großen Schwierigkeiten. Auch das Gegacker von Hühnern auf dem Cembalo zu imitieren, war beispielsweise einem Philippe Rameau oder Domenico Scarlatti eine der leichtesten Übungen. Auch die tönende Nachmacherei von Bewegungserscheinungen, das Fliegen und Flattern, das Jagen und Wandern, gehörte zu den fleißig betriebenen Naturkopien. Selbst vor einer musikalisierten Darstellung von Sprachtonfällen machte man nicht Halt. Und so füllten in Töne gesetzte Jubellaute, Schreie oder Seufzer die Notenblätter. Diese Affekte mit ihrer Verwendungslehre bestimmten schließlich eine ganze Musikepoche. Lassen sich letztere als Nachahmung der „inneren Natur“ bezeichnen, so ist die pure Lautmalerei als Nachahmung der „äußeren Natur“ zu betrachten. Beide Bereiche ergaben den Tonsetzern ein riesiges Betätigungsfeld. So schrieb Heinrich Ignatz Franz Biber 1644-1704) eine Vogelstimmen-Sonate, hinterließ Johann Jacob Walther (ca. 1650-1717) eine Sonata „Imitatione del Cuccu“. Im Finalsatz „Le Rossignol“ seiner Orchestersuite „La Bizarre“ zeichnet Georg Philipp Telemann (1681-1767) mit chromatischen Seufzermotiven, Tonwiederholungen und lautmalenden Triolen der Violinen ein naturalistisches Porträt der Nachtigall. Ein Meister in diesen Gefilden war jedoch der Venezianer Antonio Vivaldi 1687-1741), der seinen Konzerten klangvolle Beinamen gab, die auf das zu Hörende verwiesen. Im Flötenkonzert D-Dur „Il Cardellino“ porträtiert er einen Zeisig/Distelfink, und in seinem Zyklus der „Vier Jahreszeiten“ gibt es kaum ein Ereignis der äußeren oder inneren Natur, das er nicht beschreibt. Stürme hatten es ihm - und natürlich auch anderen - besonders angetan, konnte man doch dabei seine tonsetzerischen Qualitäten ins rechte Licht rücken. „La tempesta di mare“ gehört dabei zu seinen bekanntesten Stücken. Bevorzugtes Terrain der Darstellung war ihnen allen auch die Jagd („La caccia“) und die Nacht („La notte“). Wie weit die Beschreibung außermusikalischer Ereignisse gehen konnte, lässt sich u.a. in „Le Tableau de l''Operation de la Taille“ (Die Schilderung einer Blasensteinoperation) von Marin Marais (1656-1712), der „Fechtschule“ von Johann Heinrich Schmelzer (1632-1680) und seinem „Al giorno delle Correggie“ (Der Tag des Furzes) nachhören. Doch zurück zur Natur. Unter diesem Motto hatte einst Jean Jacques Rousseau die entsprechende Öko-Bewegung in Gang gebracht. Ihre Folgen sind bis heute zu spüren. In der Musik nahm man sich quer durch die Epochen gern und häufig der Szenerie des Gewitters an. In Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“ findet es sich genauso wie in Beethovens „Pastoral“-Sinfonie oder in den meistens von Rossinis Opern - angefangen vom „Barbier in Sevilla“ und nicht endend bei „La Cenerentola“. Für die Orgel komponierte Jacques Vogt (1810-1869) ein legendäres „Freiburger Orgelgewitter“, das mindestens einmal täglich gespielt wurde und sich zu einer touristischen Attraktion in der schweizerischen Stadt entwickelte. Die verblüffenden Wirkungen erzeugen sich mit Hilfe der Clusterbildungen. „Unter Donner und Blitz“ geht es bei Johann Strauß jr. zu. Einen stürmischen Abend an der Küste beschreibt Edvard Grieg in seiner Musik zum Schauspiel „Peer Gynt“. Von einem Sturm erzählt auch ein Satz in Haydns Sinfonie Nr. 8 „Le soir“. Heulen und Blitzen, Rollen und Zucken eines entfesselten Orchesters malen nicht weniger effektvoll die Szene „Gewitter und Sturm. Abstieg“ in Richard Straussens musikalischem Naturpanorama „Eine Alpensinfonie“ aus. Doch in den Werken der Romantiker findet sich zunehmend Beethovens Forderung nach „mehr Ausdruck als Malerei“ verwirklicht. Eine ähnliche Transfiguration von Naturmaterial betrieb auch Olivier Messiaen (1908- 1992), der sich von Vogelstimmen zum ornithologisch-musikalischen Mammutwerk „Catalogue des oiseaux“ (Katalog der Vögel). Vom Mittelmeersteinschmätzer bis zum Steinrötel ist manche Rarität darin verewigt. 38 Stimmen einheimischer Vögel von der Nachtigall bis zur Ringeltaube konzertieren in der Sammlung „Reveil des oiseaux“, ihre exotischen Kollegen aus Asien und Amerika in „Oiseaux exotiques“. Alle diese Werke wollte er nicht als naturalistische Programmmusik verstanden wissen, sondern als verwandelte Tonmalerei. Übrigens würde kein Ornithologe die von Messiaen genau bezeichneten Vogelarten wieder erkennen. War es wirklich die Nachtigall oder doch nicht eher die Lerche?! Peter Buske
Peter Buske
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