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Die Panzerhalle steht schon lange nicht mehr. Doch die Künstler sind in Groß Glienicke geblieben und wirken bis nach Potsdam.

©  Archiv

Von Almut Andreae: Von wegen im Abseits

Zwischen Peripherie und Zentrum: Das Neue Atelierhaus Panzerhalle und Bildende Kunst in Potsdam

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Irgendwie haben sie es richtig gemacht. Mit ihren Ateliers in den nördlichsten Ausläufern Potsdams sind die Künstler im Groß Glienicker Atelierhaus Panzerhalle nicht erst angesichts des anhaltenden Lamentos über steigende Mietpreise im Luisenforum in der Innenstadt fein raus. Zwar ein bisschen ab vom Schuss, können sich die rund 20 Künstlerinnen und Künstler in der vor Jahren stillgelegten Waldschule nach Herzenslust ausbreiten. Die Mieten des Kommunalen Immobilienservice sind äußerst moderat. Reichlich Raum und Natur pur sind weitere Argumente für die Peripherie. Noch wurden hier keine Wölfe gesichtet, sagte Bettina Schilling beim Künstlergespräch am Sonntagnachmittag nach der öffentlichen Führung durch die Ausstellung „Der Geschmack von Wolken“ im Kunstraum. Wobei sie sich auch auf ihre aktuelle Wandcollage „Zuzug“ bezog, bei der sie ein Rudel Wölfe von Osten her gen Westen ziehen lässt. Stück für Stück fordert die Natur ihre Rechte zurück. Während diese Wölfe wandern, scheint im Augenblick auch in Bezug auf die Mobilität von Künstlern in Potsdam eine Menge im Fluss. Das Modell der Panzerhallen-Künstler, von ihrem Stützpunkt in der Waldsiedlung aus gezielt ins Zentrum hinein zu agieren, wie die aktuelle Ausstellung „Der Geschmack von Wolken“ zeigt, stimuliert frei heraus die verfolgte Interaktion und künstlerische Beweglichkeit.

Ein konkretes Beispiel ist das Luise-Projekt mit dem Arbeitstitel „Vision:Luise“. Noch bevor im ausgehenden alten Jahr das Luisenforum anfing, die Gemüter zu erhitzen, weil die neuen Besitzer der Immobilie höhere Mieten verlangen und so die dort ansässigen Galerien unter anderem des Brandenburgischen Kunstvereins und des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler kreisten die Gedanken der in das „stadtraumbezogene Ausstellungsprojekt“ involvierten Künstler bereits intensiv um ein Briefzitat von Königin Luise. Darin bekennt sich Luise vor dem Hintergrund nach Wandlung drängender „Weltzustände“ zu der Notwendigkeit, „eine andere Ordnung der Dinge“ zu etablieren. Zweihundert Jahre später erscheint das Postulat der Preußenkönigin unverändert aktuell. „Denn die Dinge anders ordnen“, verrät Ilse Winckler in der Projektskizze, „ist nichts anderes als der immerwährende Prozess, in dem sich Kunstschaffende bewegen.“

Flexibilität, Mobilität, Kooperation sind entscheidende Zutaten, um Potsdam als Standort für die Bildende Kunst beständig fort zu entwickeln. Für die Bereitschaft der Künstler, die sich bereits auf den Weg begeben haben, gibt es – zentraler oder dezentraler Standort hin oder her – deutliche Signale. Beides scheint für eine lebendige Kunstszene wichtig: Anlaufstellen, Schaufenster und gemeinsame Schnittstellen für die Kunstmacher und Kunstbeschauer im Zentrum genauso wie der Blick mit gewissem (räumlichen) Abstand. Befruchtend wirkt, wenn sich unterschiedliche Standpunkte verschränken. Die örtliche Zentralisierung von Kunst wie am Beispiel Luisenforum ist praktisch, aber keinesfalls alleiniges Heilmittel für eine Infrastruktur, die in krisenhaften Momenten allzu leicht ins Wanken gerät.

Derzeit wird das Luisenforum als zentraler Anlaufpunkt für aktuelle Kunst zum Zünglein an der Waage. Während die einen die Kulmination künstlerischer Angebote an einem Ort für unbedingt erstrebenswert halten, sehen das andere durchaus auch anders. Künstler müssen immer außerhalb stehen, meint Ilse Winckler . Der Blick von außen, so auch Künstlerkollege Carsten Hensel, wirkt am Ende besonders entschieden in die Gesellschaft hinein. Auch der Blick von außen, mit dem die Kuratorin Silke Feldhoff im Zuge der Ausstellungskonzeption die Arbeit und Formation der Ateliergemeinschaft Panzerhalle bedachte, war für alle Beteiligten ein Zugewinn.

Drei Wochen vor Ende der respektablen Ausstellung (die PNN berichteten) zogen die beteiligten Künstler Resümee. Demnach verlangt der gewählte Standort des Neuen Atelierhaus Panzerhalle in äußerster Stadtrandlage den Künstlern und Künstlerinnen kontinuierlich neue Formen von Eigeninitiative und Präsenz ab, um in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen zu werden, Schon aufgrund der eingeschränkten Ausstellungsmöglichkeiten im Atelierhaus macht die Künstlergruppierung auch innerstädtisch regelmäßig mobil. Die Beteiligung der Ateliergemeinschaft an Ausstellungen, an Events wie der Potsdamer Kunst Genuss Tour und ihre oft bewiesene Qualität als Netzwerkerin und Kooperationspartnerin beweisen hohes Engagement: nicht nur in eigener Mission, sondern im Sinne einer sukzessiven Verbesserung für die Situation der Bildenden Kunst in dieser Stadt.

Das Interesse und die Bereitschaft, mit anderen in den Dialog einzutauchen, sich auszutauschen und neue Prozesse anzustoßen sind deutlich spürbar. Schon lange wünscht man sich die Möglichkeit Gastkünstler, beispielsweise aus Potsdams Partnerstädten, auf der Basis von „artists-in-residence“ oder im Rahmen eines Künstleraustausches aufzunehmen. Ohne entsprechende Budgets im kommunalen Kulturhaushalt lassen sich weder derlei berechtigte Ambitionen noch anspruchsvoll kuratierte Ausstellungen ernsthaft stemmen. Wie ernst es Potsdam damit ist, perspektivisch ein Aushängeschild für die zeitgenössische Kunst zu sein, wird sich auch daran messen lassen, ob absehbar angemessene Räume und Örtlichkeiten für die Kunst zur Verfügung stehen.

Almut Andreae

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