Kultur: Vor allem wohlige Langeweile Das Pop-Sternchen Brodka im Waschhaus
Beeindruckend, was für eine riesige polnische Diaspora sich in Potsdam befindet. Das bekam Polens Casting-Superstar Monika Brodka auch selbst zu spüren, als sie beim Konzert am Mittwoch im Waschhaus die Bühne betrat und das Publikum auf Englisch begrüßte – nein, Englisch wollte dieses gar nicht hören, und ganz schnell bekam auch Brodka mit, dass ihr einziges Deutschland-Konzert im Grunde genommen ein Heimspiel war.
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Beeindruckend, was für eine riesige polnische Diaspora sich in Potsdam befindet. Das bekam Polens Casting-Superstar Monika Brodka auch selbst zu spüren, als sie beim Konzert am Mittwoch im Waschhaus die Bühne betrat und das Publikum auf Englisch begrüßte – nein, Englisch wollte dieses gar nicht hören, und ganz schnell bekam auch Brodka mit, dass ihr einziges Deutschland-Konzert im Grunde genommen ein Heimspiel war.
Nun ja, Brodka ist in ihrer Heimat ein ziemlich berühmtes Sternchen, bis über die Oder ist ihr Erfolg allerdings noch nicht herübergeschwappt. Das möchte sie natürlich ändern und schielt mit ihrem neuen Album und englischen Texten auf Internationalität – allerdings wird das deutsche Ohr nicht unbedingt euphorisch auf sie reagieren, dazu muss man kein Wahrsager sein. Zu poppig alles, zu austauschbar, und auch nicht besonders innovativ, was Brodka da in einer knappen Stunde präsentierte. Sie hat schon Stimme, und gerade in der Tiefe zeigte sich das Fundament: Die langsamen Stücke ließen sogar einen Hauch Nancy-Sinatra-Flair aufkommen, ein wenig auf modern frisiert. Aber sobald sie sich zu sehr in die Höhe wagte, zuckte man beim Quietschen der Stimme unweigerlich zusammen.
Auf alle Fälle sollte Brodka – immerhin eine beeindruckend gut aussehende Frau, wie man neidlos eingestehen muss – ein wenig auf ihr Styling achten, wenn sie nicht als Karikatur einer 80er-Jahre-Diskoqueen interpretiert werden möchte. Fast fürchtete man, dass dieses Aufbrezeln mit paillettenbesetztem Clownsumhang, Dauerwelle und dem Model-Lächeln einer PSDS-Gewinnerin eine unheilvolle Renaissance in der europäischen Popkultur erfährt. Aber vielleicht war diese ästhetische Verfremdung nur ein augenzwinkernder Scherz, der vom deutschen Publikum nicht verstanden wurde, wer weiß. Sagen wir einfach: Brodka war lustig anzusehen.
Dennoch kam man sich irgendwie ein wenig verloren vor und fluchte innerlich, keine ausreichenden Polnischkenntnisse zu haben. Selbst der Wodka an der Bar kann einen fundierten Sprachkurs einfach nicht ersetzen. Und die historisch geschundene polnische Seele spiegelte sich auch in Brodkas hauchfein volkstümlich beeinflussten Songs wider, eine leicht leidende Traurigkeit, die von den schmelzenden Synthesizern fast weggespült wurde. Aber warum verschwand die wohlige Langeweile nicht einfach? Nein, die setzte sich eher noch fest, je mehr man dagegen ankämpfte. Wahrscheinlich funktioniert Brodkas Popgedudel am besten, wenn man in einem Cabrio auf der Autobahn von Warschau nach ÿódÿ fährt, die Anlage aufgerissen, den Fahrtwind im Haar – dann darf aber kein Stau kommen.
Das Publikum jedoch feierte Brodka frenetisch, exzessiv, sang besonders die polnischen Songs lauthals mit. Überall verklärte Blicke, der Griff ans Herz, hysterische Schockstarre gar zum Ende des Konzerts: Brodka ließ sich jedoch dazu hinreißen, als Zugabe noch mal den Eröffnungssong des Konzerts darzubieten. War das Kontingent etwa schon so schnell erschöpft? „In Polen kennt sie wirklich jeder“, erzählt eine junge polnische Frau am Rande des Konzerts. „Und dafür, dass sie aus dem Gebirge kommt, hat sie doch eine sehr feste Stimme.“ Ja, das könnte eine Erklärung sein. Dziÿkujÿ, trotzdem. Oliver Dietrich
Oliver Dietrich
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