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Kultur: Wahlschlamassel für Satiriker

Kabarettwoche, Einheits-Special und Premieren bei den Obeliskern: alles ist des Volkes Stimme unterworfen

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Kabarettwoche, Einheits-Special und Premieren bei den Obeliskern: alles ist des Volkes Stimme unterworfen Die Wahl brachte alles durcheinander. Geplante Programme mussten gekippt, Premierentermine verändert werden. Schließlich muss Kabarett aktuell sein. Und wen juckt derzeit noch ein satirischer Feldzug gegen die Schröder-Regierung, wenn sie vielleicht schon bald in der Versenkung verschwunden ist. So gab es beim gestrigen Pressegespräch der Potsdamer Obelisken zur neuen Saison auch noch einige Fragezeichen. Fest steht indes: die traditionelle Kabarettwoche gibt es auch in diesem Jahr und auch namhafte, wie bislang (!) noch unbekannte Gäste haben sich angesagt. Nur über den Inhalt ihrer Programme war noch nicht viel zu erfahren. Aber da der Satirikertreff vom 16. bis 22. Oktober stattfindet, also kurz nach der Wahl, dürfte eine unverblümte Nachlese garantiert sein. Senior Herbert Feuerstein lädt beim Auftakt jedenfalls zu einer schrägen Multimedia-Reise-Lese-Show ein. „Seine gestischen Lesungen sind eigentlich immer eine Unbekannte“, so der Potsdamer Kabarettist und Organisator Helmut Fensch. Die Magdeburger Zwickmühle hat „Ab und Zu Stimmung“ signalisiert, und die MTS-Blödelbarden wissen: „Irgendwas fehlt immer“. Eine ganz junge Gruppe versteckt sich hinter dem Düsseldorfer „Kom(m)ödchen“, das nationale Minidramen in „Sechs Dosen Deutschland“ verpackt. Der Dresdner Querdenker und Verbalakrobatiker Olaf Schubert – der bereits im Lindenpark sein Publikum zu merkwürdigen Einsichten verführte – ruft nun zum „Boykott“ auf. Natürlich auch er mit einem aktuellen Programm. Auf textliche Entgleisungen gepaart mit einem Höchstmaß an musikalischer Virtuosität sollte sich der Besucher von Marco Tschirkes skurriles Klavier-Kabarett einstellen. Für Helmut Fensch ein begnadeter Newcomer der Kabarettszene, und dazu noch mit Brandenburger Wurzeln. „Seine ,Lapsuslieder“ fallen nur so aus dem heiterem Himmel und dauern oft ganze 15 Sekunden. Es ist etwas völlig Neues.“ Das bescheinigte ihm auch die Jury des Bielefelder Kabarettpreises, die dem 30-Jährigen im vergangenen Jahr den Gewinn zusprach. Ausklingen wird das Ganze wie immer mit der Langen Nacht des Kabaretts – ebenfalls eine „wilde Mischung“ aus junger und erfahrener Satiriker-Schule. Da gibt u.a. eine Lesung mit dem gestandenen Peter Ensikat und daneben die kannibalisch veranlagte süddeutsche Dame Heidi Friedrich, die als Schlachtersfrau ihre Messer wetzt. Vor dieser einwöchigen Gast-Parade gibt es bereits am 17. September den „Dicken Hund 2005“, der ebenfalls neue Töne anschlägt. Bei diesem Wettbewerb werden Deutschlands beste Kabarettisten gesucht und der „Obelisk“ ist Mitveranstalter eines der deutschlandweiten Vorentscheide. Natürlich darf auch das Publikum über das Weiterkommen von einem der drei in Potsdams antretenden Kandidaten entscheiden. Nach einer etwas lauen Hof-Sommer-Saison – „sie war wie das Wetter“, sagte Kabarett-Chefin Gretel Schulze – hoffe man nun mit einem proppevollen spätsommerlichen Programm die Besucher verstärkt anzulocken. Da gibt es bereits Freitag die Premiere der „Bücherwürmer“ und dann wollen die Obelisker natürlich auch selbst einige Widerhaken in die Köpfe „rammen“. Zuallererst spielen sie in ihrer aktualisierten Wiederaufnahme des Stücks „Ohne Krimi geht der Schönbohm nie ins Bett“ die zwangsproletarisierten Kabarettisten. Dann darf natürlich der 3. Oktober nicht übergangen werden: „Dazu bieten wir das Special zur Deutschen Einheit ,Nie wieder Volk“, kündigt Gretel Schulze an. Vom Mauerbau bis zum neuerlichen Mauerwunsch reiche diese satirische Rückschau, bei der „Oldie“ Hans-Joachim Finke als kehlig-nuschelnder Honecker nicht fehlen darf. Das aktuell-politische Potsdamer Nach-Wahl-Programm gibt es nun am 12. November und heißt „Lebst du noch oder lachst Du schon?“. „Darin gründen wir treudeutsch eine Wertekommission mit Gretel Schulze als Vorsitzende“, so Helmut Fensch, der selbst beratendes Orakel im Team von Jürgen Klinsmann ist, während Andreas Zieger als Mitglied der Sekte Bund abgebrannter Steuerzahler sehr depressiv daher kommen werde. Doch noch ist alles in Arbeit. Der letzte Punkt unter das neue Programm wird erst nach der Wahl gesetzt. Heidi Jäger

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