Kultur: Wahlverwandtschaften
Gisela Eichardt und Frank Schmitz stellen ab morgen in der Galerie Töplitz aus
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Sich mit Kunst oder wenigstens mit Kunstauffassungen zu beschäftigen, ist immer gut. Dazu hat der Freund des Schönen ab morgen in Töplitz Gelegenheit. Gisela Eichardt und der in Berlin lebende Frank Schmitz stellen in der Galerie neben der Kirche „Plastiken und Reliefs aus Holz und Gips“ zur Schau. Der Titel ist nicht unklug gewählt, denn beim Pressegespräch am Donnerstag war von diesen Materialien sehr viel zu hören. Die Jenenserin etwa schwärmte vom Reiz des zerbrechlichen Gipses, mit dem sich ein „besserer Ausdruck“ herstellen ließe als mit Bronze; wird auch noch Farbe darauf gehaucht, so ist sie“s vollends zufrieden. Sie war Meisterschülerin bei Christa Biederbick, hat das „Diplom freie Kunst“ in der Tasche und studierte sogar an der indischen Visva-Bharati-Universität. Ihr etwas ungewöhnlicher Arbeitsstil ist vielleicht einer Zusatzausbildung im Bereich Multimedia geschuldet. Interesse für Menschen vorausgesetzt, macht sie von interessanten Personen ganze Fotoserien, aus denen sie einen bestimmten Ausdruck erwählt, um ihn in Gips oder Holz zu verewigen. Manchmal kämen so Bilder „für eine ganze Wand“ zusammen. Oder sie dreht ein Video, welches man beim geeigneten Moment zu gleichem Zwecke anhalten kann. Trotzdem will sie „auf keinen Fall“ zu den Fotorealisten zählen, was sich an der „Längung“ mancher Skulpturen ablesen ließe. Dafür muss man aber ein gutes Auge mitbringen. Bei ihrer Motivwahl geht sie eher spontan vor, arbeitet mehr aus dem Bauch als nach einem Konzept.
Soviel „Innereien“ müssen den Galeriebesucher weniger interessieren. Er steht einigermaßen hilflos vor ihren Arbeiten, denn hier nach der „Bedeutung“ zu fragen, wäre umsonst. Sie „sind“ einfach: Auf Stelen montierte Köpfe junger Frauen in Holz, mal lebensgroß, mal etwas kleiner, in Holz getriebene Reliefs dito, eine Serie von wartenden Menschen-Miniaturen, die sie am liebsten zu einem Gesamtarrangement fügen würde. Zeitgenossenschaft ist verlässlich an der Konfektion abzulesen, und an der Farbe, ohne die bei Gisela Eichardt in toto nichts geht. Farblose Sachen aus eigener Hand kann sie sich „nicht vorstellen“. Ihre Realismus-Auffassung zu rezipieren, macht einige Mühe.
In Wahlverwandtschaft zu ihr der gebürtige Darmstädter Frank Schmitz. Man lernte sich an der Mainzer Uni kennen, studierte an der Berliner HdK sogar in derselben „Klasse Biederbick“. Blasse Tönungen auch bei ihm, aber der freischaffende Bildhauer geht andere Wege. Ihm haben es ornamentale Strukturen angetan, wie man sie in einer Reliefserie an einer Wand sehen kann, Hochhäuser getürmt und gehäuft, bis so etwas wie ein Pixel-Muster entsteht. Aufrecht der in Holz gefertigte Teppich, für den Wahlberliner genauso ein „Symbol“ des Wassers (von Wüstenbewohnern) wie die beiden Aquarien-Skulpturen, wo er dieses Motiv in einer Art Negativ-Optik nur „hölzern“ assoziiert. Auch bei Schmitz stößt man bald auf die Frage, was es da „mitzunehmen“ gäbe. Sinnliches und Poetisierung, sagte er. Das mag für seinen „echten“ Phantasiebrunnen gelten, bei jenem feingestochenen Teppich halten sich Handwerk und Kunst eher die Waage. Struktur und Material dominieren den Ausdruck auch bei den anderen Arbeiten. Solange der Bildhauer mit dem „Abstreifen harter Grenzen“ (Aquarien) beschäftig ist, ringt er auch mehr mit dem Schaffensprozess als mit einer kunstvollen Idee. Wie viel „Kunstwert“ sie für den Besucher haben, wird jeder selbst herausfinden müssen.
Eröffnungskonzert am Sonnabend, 16 Uhr in der benachbarten Dorfkirche, das Duo Amortal, Berlin spielt Bach und alte argentinische Tangos;Vernissage 17 Uhr.
Gerold Paul
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