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Kultur: Wahrheit und Fantasie tanzen einen Reigen Astrid Hoffmann liest Geschichten aus Potsdam

Es ist, als würde märkischer Sand durch die Finger rinnen: warm und weich, doch nicht recht zu fassen. Astrid Hoffmanns Geschichten und Anekdoten aus Potsdam geben Ahnungen, leuchten auf – und bleiben oft im Vagen.

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Es ist, als würde märkischer Sand durch die Finger rinnen: warm und weich, doch nicht recht zu fassen. Astrid Hoffmanns Geschichten und Anekdoten aus Potsdam geben Ahnungen, leuchten auf – und bleiben oft im Vagen. Doch man folgt ihr gern, dieser Autorin, die vor zehn Jahren aus Westberlin nach Potsdam zog und verträumte Ecken und klangvolle Erinnerungen in ihrer neuen Stadt aufspürte. Sie schaut in alte Tanzcafés, wie den „Pickel“, lässt die „Eule“ noch einmal fahren oder aber am Schweiß der Babelsberger Kicker riechen. Sie erzählt pointiert und spritzig, wo Minister und Könige einkauften und wo man am besten gebrutzeltes Spanferkel mit Seeblick gratis genießt.

Ihr im Wartberg Verlag erschienenes Buch „Wir Potsdamer“ setzt sich angenehm von den zig Potsdam-Führern ab, die den Markt überschwemmen und Bekanntes in immer neuer Auflage wiederholen. In Astrid Hoffmanns Beschreibungen über bekannte oder weniger bekannte Sehenswürdigkeiten, wie den Einstein-Turm, den Uferpavillon Seerose, die Waldmüllerstraße oder das Rübchengebiet kommen eher unbekannte Leute zu Worte. Deren Erinnerungen werden in eigensinnig gefärbte Erzählungen verwoben, die mit unkonventionellem Zugang Neugierde wecken. So sehen wir im Babelsberger Park Königin Augusta gepflegt auf einem gepflasterten Mosaik ihren Tee trinken und erfahren, dass sie mit dem Pedanten Lenné nichts am Hut hatte. Sie überließ es lieber Pückler, eine rhythmisch wechselnde Bilderwelt zu entwerfen, „denn der wusste, dass im märkischen Sand das wuchs, was wild wächst, üppig rankt und zudeckt – Silberpappel, Wildrosen und Holunder. Ein Haufen Grün, der im Sommer oberirdisch wuchert, im Herbst mit Farben spielt, um schließlich unterirdisch einzudringen.“ Und auch ein fiktives Gespräch mit dem Fürsten zu den wahren Ingredienzien „seines“ Pückler-Eises ist beigefügt.

Die heiter-sinnlichen und nachsinnenden Miniaturen der Kulturjournalistin sind wie sanfte Wellen, die leise ans Havelufer plätschern, und die Gedanken forttragen. Eine dieser Wellen umspült die Villa Kampffmeyer, deren fiktives Tagebuch zu sprechen beginnt: eine witzig-unterhaltsame Persiflage auf illustre Gesellschaften, die sich dort tummelten – oder nicht. Wahrheit und Fantasie tanzen munter einen Reigen, in dem sich die Borer–Fieldings mit ihrer Neun-Millimeter-Schweizer-Waffe bestens einreihen.

Oft schlägt die Autorin große Bögen und bringt dabei auch Steine ins Rollen. Wie den Feldstein, den der Bauer vom Acker sammelt und der sich später im Gemäuer einer Kirche wiederfindet, in der auch Orgel gespielt wird, die wiederum von Schuke restauriert wird ...

„Ich mag Potsdamer und ich mag ihre Geschichten: sie sind kurz und schön“, schrieb Astrid Hoffmann im Vorwort. Das Gleiche lässt sich auch von ihrem Büchlein sagen. Heidi Jäger

Astrid Hoffmann liest heute um 19.30 Uhr im Café Heider aus „Wir Potsdamer“.

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