Sie weht wie ein Blatt im lauen Herbstwind. Zart getönt unter einer glitzernden Rauhreifdecke. Ihre Stimme klingt verletzlich, dann wieder kraftvoll und schroff. Manchmal findet sie auch den Weg in lichte sonnengleißende Höhen. Die junge attraktive Französin Pauline Croze betritt die Bühne fast verschämt. Es ist ihr erstes Konzert in Deutschland und ein Interview im vollbesetzten Foyer im Nikolaisaal lehnt sie ab; sie sei zu schüchtern und zu aufgeregt. So erfährt der Besucher nur wenig über diese Künstlerin, da sich auch das Programmheft in Zurückhaltung übt.
Pauline Croze versteckt sich noch unsicher hinter ihrer Gitarre, als sie mit großer Musikalität von ihrem Wunsch nach Liebe und Geborgenheit erzählt. „Hebe mich empor!“, singt sie in die Zuschauerreihen und wagt endlich einen Blick in die fremden wohlwollenden Gesichter. „I’am happy“, sagt sie schließlich mit leisem verlegenen Lächeln. Sie wirkt in ihren Jeans, der legeren Bluse und mit der Fransenfrisur wie eine Studentin vor der Prüfung. Für jede Unsicherheit in ihren englisch gesprochenen Überleitungen entschuldigt sie sich in charmanter Bescheidenheit. Doch in ihre Lieder packt die Sängerin all’ ihre feinsinnige Intensität hinein, erzählt von den Sehnsüchten und Qualen der Liebe und bekommt allmählich mehr Drive und Lockerheit.
Pauline Croze zeigt Gefühle, ohne jede aufgesetzte Gefühlsduselei, weich, samtig und soulig kleidet sie ihre Lyrics in warme Decken. Wenn sie sich in die Höhe schwingt und den Rauhreif tauen lässt, ist es wie eine zärtliche Umarmung. Man spürt bei all’ ihrem Abtasten und den Unsicherheiten, dass hier eine Frau ihre Seele öffnet, von der noch viel zu erwarten ist.
Inzwischen hat die 30-jährige Sängerin zwei CDs veröffentlicht und über 150 Konzerte gegeben. Doch hier in der Fremde, wo ihre Sprache nur wenige verstehen und sie auf den Sog überschwappender Gefühle vertrauen muss, fühlt sie sich wie eine Debütantin. Doch die Funken der Sympathie springen durchaus über und als Pauline Croze die Zuhörer bittet, in den Coversong der Eurythmics „Must be talkin’ to an angel“ einzustimmen, bekommt sie einen klangvollen, wenn auch zarten Background.
Es bleibt während des Abends beim sanften Oktoberwind, ohne Frösteln, ohne überraschenden Hitzeausbruch. Pauline Croze hat das Zeug, sich auch Sturmböen auszusetzen, die den verhangenen Nebelschleier auseinanderbersten. Doch noch ist sie zu verfangen in ihrer eigenen Unsicherheit.
Das herzliche Klatschen nötigt ihr am Ende eine Zugabe ab, und noch einmal singt sie von ihren schlaflosen Nächten, seit der Liebste verschwand. Mehr Lieder stehen indes nicht auf ihrer herausgerissenen Heftseite. Und so huscht Pauline Croze erleichtert davon: wie ein Blatt im Herbstwind. Heidi Jäger
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