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Kultur: Wärme und innige Sanftheit

Angelika Kirchschlager im Nikolaisaal

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Was ist pures Musikglück? Wenn man nach rund zwei Stunden den Konzertsaal angeregt und beglückt verlässt und nicht eine Sekunde davon missen möchte. Angelika Kirchschlager und das Kammerorchester Basel bescherten am Freitag im Nikolaisaal solch einen Abend.

Das Gedenken an den 250. Todestag von Georg Friedrich Händel veranlassten die Mezzosopranistin und das Kammerorchester zu einem reinen Händel-Abend. Die Händelzeit lebte in ihrem Musikbetrieb von Stars. Für sie hat der Komponist die großen, zumeist virtuosen Opernarien geschrieben. Schnell waren die Sängerinnen und Sänger auf der Karriereleiter, das Publikum lag ihnen zu Füßen. Doch schnell konnte der Fall folgen, wurden sie vergessen. Manchmal ist es in unseren Tagen nicht anders, zumal Zuschauer und Konzertveranstalter mit schnelleren Vergleichen aufwarten können als früher. Hinzu kommt noch das so kräftezehrende Jet-Set-Leben, das den Stimmen mancher Sängerinnen und Sängern nicht immer wohltut.

Die Österreicherin Angelika Kirchschlager geht einen gesunden Mittelweg. Sie konzentriert sich mehr auf das Konzertpodium. Doch vernachlässigt sie deshalb ihre Bühnenkarriere nicht. So konnte man sie im vergangenen Jahr an der Deutschen Oper Berlin als Carmen erleben, bei der ihre stimmliche Präsenz jedoch überfordert wurde. Bei den Arien aus Opern von Georg Friedrich Händel dagegen nicht. Das wurde im Nikolaisaal-Konzert deutlich. Immer weiter hat Angelika Kirchschlager ihre Stimmkunst verfeinert. Ihr warmer, besonders in der Mittellage charaktervoller und modulationsfähiger Mezzosopran nimmt sehr für sich ein – keine Dutzendstimme mit austauschbarem Timbre. Der Barockmusik gilt ihre besondere Aufmerksamkeit. Die Arien warten natürlich mit Koloraturen auf, die es in sich haben. Dafür fehlt der Sängerin aber oftmals die absolute Leichtigkeit.

Wenn Angelika Kirchschlager große Oper singt, spielt sie nicht die Diva, die mit Kraft und Glanz alles andere in den Hintergrund drängt. Sie nahm sich zurück und musizierte mit dem famosen Kammerorchester Basel unter Laurence Cummings, der vom Cembalo aus das Konzert in Potsdam leitete, wie eine Kammermusikerin. Aus zwei Opern Händels wählte die Sängerin Arien, die Händel ursprünglich für Kastraten komponierte: aus „Ariodante“ (1734) und „Giulio Cesare in Egitto“ (1724). In beiden Werken entnahm Händel die Geschichten: aus dem Epos „Orlando furioso“ von Lodovico Ariosto und aus der römischen Historie. In beiden Opern geht es – wie so oft auf der Bühne – um Liebe, Eifersucht und Rache. Angelika Kirchschlager sang mit sehnsuchtsvoller Hingabe und temperamentvoller Leidenschaft die Arien des Ariodante, der ähnlich wie Shakespeares Othello, von einem Rivalen hintergangen wird und die Braut eine Verleumdungs-Kampagne erfahren muss. Die Sängerin wusste besonders die lyrischen Piecen mit Inbrunst und Wärme zu interpretieren, die süchtig nach Mehr machen. Bei den Ausschnitten aus „Giulio Cesare“ war es nicht anders. Vor allem das intime „Caro speme“ des Sesto, einem Kontrahenten des römischen Feldherrn Cesar war von beglückender Schönheit. Nur von einem Basso continuo begleitet, erfährt die Arie durch Angelika Kirschschlager Differenziertheit und Seele.

Das Kammerorchester Basel sowie Dirigent Laurence Cummings waren kongeniale Partner der Mezzosopranistin. Auf alten Instrumenten musizierend, war in keinem Augenblick Klangaskese an der Tagesordnung, wie man es oft von Ensembles, die sich an historischer Spielweise orientieren, zu hören bekommt. Mit Wärme und Warmherzigkeit wurde musiziert. Und mit der Brillanz und Spannkraft, selbst beim heiklen improvisatorischen Spiel der Übergänge, konnten sie manch andere Kammerorchester in den Schatten stellen. In der Ballettmusik aus „Ariodante“ sowie in den Concerti grossi B-Dur op.3 Nr.2 und F-Dur op. 3 Nr. 4 lassen die Musikanten ebenfalls den Zauber Händelscher Kompositionskunst aufleuchten. Das B-Dur-Konzert erwies sich als besonders eindrucksvoll. Das einleitende Vivace mit seinen Concertino-Violinen ( Julia Schröder und Yukiko Tezuka) und das Largo (Kerstin Kramp, Oboe) wurden mit besonderer musikalischer Ausstrahlung gespielt. Der Beifall am Ende des Konzerts war groß und lang anhaltend. Angelika Kirchschlager und die Musiker bedankten sich beim Publikum mit dem berühmten Largo aus der Oper „Serse“ (Xerxes). Die oftmals so verkitscht musizierte Arie wurde im Nikolaisaal mit inniger Sanftheit, Einfachheit und Durchlässigkeit interpretiert – einfach bewegend. Klaus Büstrin

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