
© promo/Theaterschiff
Von Andrea Schneider: Was sagt die Küchenwand dazu?
Marianne Thielmann mit „Die Heilige Johanna der Einbauküche“ im Theaterschiff
Stand:
Dass das Leben einem manchmal die seltsamsten Gesprächspartner an die Seite stellt, zeigt das 1986 von Willy Russell geschriebene Stück „Shirley Valentine“ oder auch „Die Heilige Johanna der Einbauküche“ in beispielhafter Weise. Eine Hausfrau in mittleren Jahren resümiert das Leben ihrer Ehe, die „wie der Nahe Osten ist – es gibt keine Lösung“. Währenddessen bereitet sie für Joe, ihren Mann, in der Einbauküche stehend Bratkartoffeln mit Spiegelei zu.
Aus Ermangelung eines Gegenübers hat sie sich, augenscheinlich nicht gerade erst an diesem Abend, die Küchenwand als Gesprächspartner ausgesucht. Diese kann ihr allerdings nicht helfen in der Entscheidung, eine von ihrer Freundin Jane großzügig angebotene zweiwöchige Reise nach Griechenland anzunehmen.
Immer wieder gerät Shirley, die nach der Hochzeit ihren Mädchennamen Valentine in Bradshaw geändert hatte, ins Schwanken was diese Reise nach Griechenland betrifft, denn die einfache Hausfrau ist nie aus ihrem Trott ausgebrochen und hat etwas nur für sich getan.
Das Eine-Frau-Stück „Die Heilige Johanna der Einbauküche“, das durchaus mit Humor und sehr freizügig und offen die Emanzipation und Selbstfindung einer Frau thematisiert, Broadwayhit, Oscar-Nominierung, war bereits auf vielen Bühnen zu erleben. Am Donnerstagabend hatte auch das Potsdamer Theaterschiff zu einer einmaligen Aufführung in seine Schiffsräume geladen.
Die Chansonette und Schauspielerin Marianne Thielmann, die an der Berliner Schauspielschule Ernst Busch ihre Ausbildung erhielt und seit 2004 ein Engagement am Meininger Theater hat, spielte die Rolle der Shirley Valentine vor nicht einmal halbvollem Saal.
Doch auch wenn ihr etwas Kontur und Bühnenpräsenz fehlte und sie die Rolle der Frau von nebenan ein wenig zu authentisch zu spielen versuchte, war das Publikum, das bewiesen die Lacher, die mitfühlenden Seufzer sowie die leisen Kommentare, mitten im Geschehen, auch noch nach der kleinen Pause, die die Geschichte in zwei Teile brach und metaphorisch für ein Davor und ein Danach stehen könnte. Engagiert schlüpft Marianne Thielmann in die Rollen ihres Sohnes beim Krippenspiel, in die der Freundin Jane oder die der Nachbarin Gilian, philosophiert über ihr Hausfrauendasein, Kinder, die plötzlich wieder zurück nach Hause ziehen oder die eigene Sexualität.
Eine Szene wirkte an diesem Abend besonders lange nach. Shirley erinnert sich: sie hatte in der Stadt eine ehemalige Klassenkameradin getroffen und diese hatte sich nach einem lustigen Nachmittag ganz ehrlich gefreut und sie bei ihrem Mädchennamen nennend von ihr verabschiedet. Noch während Marianne Thielmann alias Shirley Valentine die Szene sehr bildhaft beschreibt, bricht die Figur plötzlich zusammen und bringt das Drama der Hausfrau auf den Punkt. Wo ist sie geblieben, dieses Mädchen, Shirley Valentine, jetzt Bradshaw. Dieses lebenslustige Mädchen, das oft einen Grund zum Lachen fand, auch später, als sie und Joe schon verheiratet waren. Wann sie sich selbst verloren hat, kann sie nicht mehr sagen, doch dass es noch nicht zu spät ist und sie das Leben noch spürt, zeigt der Aufenthalt in Griechenland, der länger wird, als eigentlich geplant. Und der ihr hilft, das Leben wieder zu spüren.
„Die heilige Johanna der Einbauküche“ ist kein experimentelles, intellektuelles Kopftheater. Mit Marianne Thielmann wurden durch diese „Johanna“ einfache Wahrheiten aufgezeigt: Den eigenen Alltag reflektieren und das Leben nicht ungenutzt verstreichen lassen. Wie schwer das sein kann, hat einem Shirley Valentine da vor ihrer Küchenwand wieder einmal deutlich gemacht.
Andrea Schneider
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