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Kultur: Wassertaufe

Russisches Kulturfest in der Alexandrowka

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Ein wenig traurig sah der Samstagabend in der Alexandrowka schon aus: Los Nummer Sieben gewann einen Gutschein über zwanzig Euro, Los Zwei spendierte ein Verwöhn-Wochenende im Potsdamer Hotel Voltaire. Die Preise wurden zwar abgeholt, aber die Stuhlreihen vor der Freilichtbühne waren nass und leer, überhaupt gab es wenig Publikum beim ersten (richtigen) Volksfest der russischen Kultur.

Dabei war alles so liebevoll vorbereitet wie großzügig gesponsert worden: Stände von „Balalaika“ bis „Toleranz“, Grillen im Sommergarten, Igor zu Pferde erinnerte als großformatiges Ölbild an Russlands heroische Vergangenheit, Führungen, Vorträge, Attraktionen für Kinder, jede Menge Musik von Folkpop bis „ernst“, eine Bildversteigerung zugunsten der Veranstaltungskasse. Die Alexandrowka war fein herausgeputzt, saubere Wege, gemähter Rasen, woran sich auch Schirmherr und Mitbewohner, Oberbürgermeister Jann Jakobs, beteiligte. Auch von der russischen Botschaft in Berlin gab es ein Grußwort. Nur das Wetter spielte so recht nicht mit. Als der OB zum Worte griff, goss es in Strömen, als er fertig war, erschien plötzlich die Sonne, ein Regenbogen folgte.

Die Veranstaltung war zugleich eine Erinnerung daran, daß die Sowjetunion damals nicht nur Sowjetsoldaten hierher brachte, sondern auch eine vielbeachtete Kultur. Gut und wichtig, wenn der 2007 gegründete Verein „Kultur Alexandrowka“ mit seinem Chef Lutz Andres und Geschäftsführerin Meike Mieke, die zudem eine brillante Tagesmoderation hinlegte, an jene Tage erinnerten.

Vor allem beim abendlichen Konzert mit Werken von Dunajewski, Schostakowitsch, Petrov, Schnittke, und Chatschaturjan wurde schnell deutlich, dass man deren Filmmusiken sogar auch konzertant hören kann. Zu diesem Behuf hatte sich eine kleine Besetzung der Moskauer Camerata Europaea mit den Potsdamer Turmbläsern zusammengetan, und siehe, nach dem Sturzguss füllten sich allmählich die regennassen Stühle mit applaudierenden Besuchern. Isaak Dunajewskis Part zu „Lustige Burschen“ von 1934 folgte der der heute vielgespielte 2. Walzer aus der „Jazzsuite“ von Dmitri Schostakowitsch. Dank der Arrangierkunst von Gisbert Näther erlebte man sogar zwei kleine Deutschland-Premieren: Neben einer Polka hatte der Potsdamer das Akkordeon-Solo aus „Bahnhof für zwei“ für kleines Orchester eingerichtet. Weiterhin hörte man Alfred Schnittkes Fernsehfilm-Komposition „Eine traurige Tragödie“ und Schostakowitschs Romanze aus „Die Hornisse“, darin Lena Thies den Solopart auf der Bratsche übernahm. Ein schwungvolles Open-Air-Konzert, eine gute Idee als liebevolles Ganzes.

Nostalgie? Höchstens bei den russischen Kostümen, welche, überall sichtbar, von Kopfhäubchen vervollständigt wurden, Zierde einer jeden russischen Frau. Man sprach russisch und deutsch. Die Versteigerung von Almuth Andres Bild „Weiße Clematis“ wurde ausgesetzt, aber es soll ja ein „nächstes Mal“ geben. Wozu hätte der Himmel dieses Fest sonst mit „Wasser“ getauft? Gerold Paul

Gerold Paul

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