Kultur: Weihnachtsmärchen im Test
Öffentliche Probe von „Die Schöne und das Biest“ / Morgen ist Premiere
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Öffentliche Probe von „Die Schöne und das Biest“ / Morgen ist Premiere Von Heidi Jäger Die kleine Laura hält sich mit beiden Händen die Ohren zu. Immer wenn das Biest seine dunkle, donnernde Stimme ertönen lässt, zuckt sie zusammen. Auch ihrer Schwester Charlotte geht es an diesem Montagabend nicht anders. Die blond gezopfte Sechsjährige kuschelt sich eingeschüchtert an ihre Patentante. Die Tante heißt Birgit Rubach und arbeitet im Waldorf-Kindergarten Kleinmachnow. Sie ist als „Testperson“ zu dieser öffentlichen Hauptprobe „delegiert“ worden, um das diesjährige Weihnachtsmärchen des Hans Otto Theaters auf „Tauglichkeit“ für die Schützlinge ihrer Einrichtung zu prüfen. Laura und Charlotte stehen ihr dabei hilfreich zur Seite: Schließlich kennen sie „Die Schöne und das Biest“ aus dem „ff“ – „von der Kassette“, wie sie betonen. Doch obwohl sie wissen, dass sich das Biest letztlich doch als schöner und liebenswerter Prinz outet, bewahren sie ihre Skepsis. Sicher ist sicher. Doch Anspannung herrscht nicht nur bei den kleinen Gästen. Auch Regisseurin Bettina Rehm und ihr Team sind sichtlich nervös. Kein Wunder: Der Premierentermin steht vor der Tür und noch patzt es an allen Ecken und Enden. „Das ist ja der Tod, das darf nicht passieren, sonst ist der Abend hin“, kommentiert die Spielleiterin einen verfrühten Toneinsatz. Doch nicht nur Licht und Ton haben an diesem Abend noch ihre Tücken, auch die Ohrringe von der Schönen wollen nicht halten, dann verfängt sich ihr Armband in den Haaren vom Biest, schließlich versagt das Mikro des „Bösewichts“. Immer wieder andere „Helfer“ finden sich auf der Bühne ein, um mit versiertem Griff schnell die Pannen zu beheben. Für die Uneingeweihten ist es geradezu eine Schauvorführung, um zu begreifen, wie minutiös das Zusammenspiel der verschiedenen Gewerke ausgerichtet sein muss, um ein Stück zum Fließen und punktgenau zum dramatischen Finale zu bringen. Für die Regisseurin ist es indes „langsam zum Durchdrehen“. Doch der alte Theaterhase Andreas Steudtner, der die Inszenierung dramaturgisch betreut, gibt sich gelassen. Er weiß, dass die letzten Proben noch unendlich viel ausrichten und zum Schluss dann doch meist alles klappt. Die Aufregung in letzter Minute gehört nun mal zum Theatergeschäft. Doch diese Inszenierung hat das Handicap, dass sie mit den Nachwehen ihrer Vorgängerin zu kämpfen hat. Das aufwändige Bühnenbild zur „Hermannsschlacht“ musste zurückgebaut werden, und das sei eben nicht so reibungslos verlaufen. „Daher sind wir recht knapp mit der Zeit, zumal auch diese Produktion sehr anspruchsvoll ist mit seinen vielen Verwandlungen und Zaubereien. Aber ich bin mir ganz sicher, dass am Donnerstag alles funktioniert“, gibt sich Steudtner gegenüber den Erziehern, Eltern und Kindern zuversichtlich. In der Pause räumt er durchaus auch ein, dass die Lautstärke natürlich noch zurückgeschraubt werden müsse, denn keiner der Kinder soll verschreckt in seinem Sitz zusammen zucken. Die feine Balance zwischen Spannung und Angst wird also nicht aus dem Auge verloren, so dass sicher auch Laura und Charlotte die Premiere genießen können. Falls sie noch einmal wieder kommen. Denn natürlich birgt so ein Proben-Experiment auch immer die Gefahr, dass noch Unfertiges als der Weisheit letzter Schluss angesehen wird. Auch dessen ist sich Andreas Steudtner bewusst. Doch gerade die Reaktionen des kleinen Publikums im Vorfeld seien wiederum wichtig, um noch nachzubessern und am Premierentag zu bestehen. Und dafür hat das Märchen-Team die besten Trümpfe in der Hand, nicht zuletzt durch die Geschichte selbst, die auf die Französin Madame Leprince de Beaumont zurück geht und seit 250 Jahren von Kindern gern gehört wird. Sie taucht in verschiedenen Adaptionen immer wieder in der Literatur, dem Film und im Theater auf. Die in Potsdam gezeigte Dramatisierung geht auf Brigitte Korn und Jürgen Flügge zurück und stutzte den moralischen und pädagogischen Zeigefinger entsprechend heutiger Sicht zurecht. Was dem Stück über die Zeiten erhalten blieb, ist die Sehnsucht der Menschen nach Verwandlung, Erlösung und Unsterblichkeit. „Die ,Schöne und das Biest“ ist eine Geschichte über die Angst vor dem Unbekannten und vermeintlich Hässlichen. Über den Mut, sich dem Fremden anzunähern und das Glück, dabei Neues zu entdecken“, verspricht die Flyer-Werbung. Dazu sind die Kinder nun eingeladen: Ab sechs Jahren. Ob sie in diesem empfindsamen Alter damit überfordert sind, wird spätestens die Premiere zeigen. Bei ihrer vorangegangenen Potsdamer Inszenierung „Kleine Engel“ hat die Regisseurin jedenfalls sehr viel Fingerspitzengefühl bewiesen und insofern darf man auch im Sinne von Laura und Charlotte – für die morgige Premiere das Beste hoffen. Premiere 2. 12., 10 Uhr im Theaterhaus, weitere Aufführungen 3.12., 10 Uhr, 5. 12. 15 Uhr.
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