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Kultur: Weite, Hitze, Melancholie Anne Haigis begeisterte

im Nikolaisaal

Stand:

Während vorne am Bühnenrand die Kerzen der drei schlichten Leuchter zum Brennen gebracht werden, erklingen leise die ersten Töne von „Dancing in the fire“. Und schon lässt die Künstlerin Anne Haigis ihre rauchige Stimme auf das Publikum los und zieht es sofort in ihren Bann. Zusammen mit ihrem langjährigen Begleiter Jens Filsner, einem exzellenten Bluesgitarristen, hatte sie sich auf den Weg gemacht, um am vergangenen Freitag die Reihe des Nikolaisaals „The Voice in Concert“ um einen spannenden Abend reicher zu machen. „Good days for the Blues“ stand auf dem Programm und die Fans erschienen in großer, viel zu großer Zahl. Alle wollten sie sich von dieser kleinen, sympathischen Frau mit der großen Stimme entführen lassen in die Weiten der Südstaaten, in flirrende Hitze, Staub und das Gefühl von großer Weite und tiefer Melancholie.

Doch sie sollten sich gedulden müssen. Die Musikerin, die auf dreißig Jahre musikalische Erfahrungen zurückblickt, ließ im Gespräch mit ihrem Publikum durchblicken, dass sie selten die reinen 12-Takter des klassischen Blues, sondern eher Songs spiele, und für die bedient sie sich aus vielen Sparten.

Und so unternahm Anne Haigis nach zwei kurzen, aber intensiven und mit Begeisterung aufgenommenen Bluesstücken einen Ausflug auf das Terrain des Liedermachens und interpretierte im Anschluss mit „Nacht aus Glas“ und „Papa“ zwei äußerst berührende Stücke der bereits verstorbenen Schauspielerin und Varietébesitzerin Trude Herr. Da die quirlige Musikerin allerdings experimentierfreudig, aber auch verdammt gut gelaunt war, lockte sie ihre Fans anschließend gleich wieder aus der Reserve und erhoffte sich mit „Can’t let go“ gar ausgelassenes Tanzen auf Tischen und Stühlen. Auch wenn die Potsdamer dafür viel zu schüchtern waren, mit Klatschen und Pfeifen zollten sie Stimme und Spiel ihren Respekt, gingen gutgelaunt in die Pause und freuten sich auf einen zweiten Teil des Abends.

Der wurde eingeleitet von Lothar Jänichen, bekannt aus dem rbb-Kulturradio, der Anne Haigis eine Anekdote vom Beginn ihrer Laufbahn als Künstlerin entlockte. Diese hatte nämlich mit 16 eine Mathearbeit verweigert, indem sie ein leeres Heft abgab, sich im Anschluss in einen Zug nach Stuttgart setzte und damit Elternhaus und Schule verließ und ihre Karriere als Musikerin begann. Sie machte dabei Ausflüge in den Jazz und Pop, spielte lange Zeit in einer Akustikband, bevor sie die Besetzung immer weiter reduzierte und schließlich bei zwei Akustikgitarren in Kombination mit ihrer vollen, eine große Bandbreite an Farben auslotenden Stimme ankam. Und das weniger oft mehr ist, bewies auch der zweite Teil dieses Abends. Zwei Gitarren, die zusammen ein unglaubliches Klangvolumen entwickeln, die sich trennen und wieder finden und Anne Haigis, die mit „You got the silver“ endlich, endlich den Blues rausholt und ein Bild malt von Weite, Hitze und großer Melancholie.

Andrea Schneider

Andrea SchneiderD

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